[Jorge Luis Borges]

Jorge Luis Borges (1899 – 1986)

Malagalied

Der Tod
betritt und verlässt
die Taverne.

Es ziehen schwarze Rappen
und finstere Gestalten
durch die tiefen Schluchten
der Gitarre.

Und es steigt ein Geruch nach Salz
und nach dem Blut eines Weibs
aus den fiebrigen Narden
der offenen See.

Der Tod
betritt und verlässt;
es verlässt und betritt
der Tod
die Taverne.

(1921)


Malagueña

La muerte
entra y sale
de la taberna.

Pasan caballos negros
y gente siniestra
por los hondos caminos
de la guitarra.

Y hay un olor a sal
y a sangre de hembra
en los nardos febriles
de la marina.

La muerte
entra y sale,
y sale y entra
la muerte
de la taberna.

(1921)


Lied

Durch die weiten Lorbeerzweige
gehn zwei Tauben dunkelgrau.
Eine Taube war die Sonne
und die andere der Mond.
Und ich fragte sie: Ihr Nachbarn,
wo werd ich mein Grab wohl finden?
In meinem Schweif, sagte die Sonne.
In meiner Kehle, sprach der Mond.
Ich ging weiter, war versunken
bis zum Gürtel in der Erde,
sah zwei große Marmoradler
und ein nacktes Mädchen stehn.
Einer war ganz wie der andre
und ein Niemand war das Mädchen.
Und ich fragte sie: Ihr Adler,
wo werd ich mein Grab wohl finden?
In meinem Schweif, sagte die Sonne.
In meiner Kehle, sprach der Mond.
In den weiten Kirschbaumzweigen
sah ich einst zwei nackte Tauben,
eine war ganz wie die andre
und ein Niemand war'n die beiden.

1921


Canción

Por las ramas del laurel
van dos palomas oscuras.
La una era el sol,
la otra la luna.
Vecinitas, les dije,
¿dónde está mi sepultura?
En mi cola, dijo el sol.
En mi garganta, dijo la luna.
Y yo que estaba caminando
con la tierra a la cintura
vi dos águilas de mármol
y una muchacha desnuda.
La una era la otra
y la muchacha era ninguna.
Aguilitas, les dije,
¿dónde está mi sepultura?
En mi cola, dijo el sol.
En mi garganta, dijo la luna.
Por las ramas del cerezo
vi dos palomas desnudas,
la una era la otra,
y las dos eran ninguna.

1921


Reiterlied

Córdoba.
Weit entfernt und einsam.

Schwarzer Rappe, großer Mond,
Oliven in der Satteltasche.
Zwar sind die Wege mir alle bekannt,
aber nach Córdoba werd ich's nicht schaffen.

Durch die Ebene, den Wind,
Schwarzer Rappe, roter Mond.
Von den Türmen Córdobas
starrt mich an allein der Tod.

Ach, der Weg ist noch so lang!
Ach, mein wackerer Rappe!
Ach, der Tod hat mich geholt,
bevor ich's nach Córdoba schaffe.

Córdoba.
Weit entfernt und einsam.

1924


Canción de Jinete

Córdoba.
Lejana y sola.

Jaca negra, luna grande,
y aceitunas en mi alforja.
Aunque sepa los caminos
yo nunca llegaré a Córdoba.

Por el llano, por el viento,
jaca negra, luna roja.
La muerte me está mirando
desde las torres de Córdoba.

¡Ay qué camino tan largo!
¡Ay mi jaca valerosa!
¡Ay que la muerte me espera,
antes de legar a Córdoba!

Córdoba.
Lejana y sola.

1924


Tod

Welche Qual!
Welche Qual für das Pferd, ein Hund zu werden!
Welche Qual für den Hund, zur Schwalbe zu werden!
Welche Qual für die Schwalbe, zur Biene zu werden!
Welche Qual für die Biene, ein Pferd zu werden!
Und das Pferd,
welche Pfeilspitzen zieht's aus der Rose,
und welch graue Rose entspringt seinem Maul!
Und die Rose,
mit welchem Getümmel von Licht und Geschrei
nährt sie den lebendigen Zucker des Stiels!
Und der Zucker,
träumt er nicht im Wachsein von Messern!
und die Messer,
sind sie nicht ein Mond ohne Stall, so nackt
und immer auf Suche nach Haut und nach Rot.
Und ich, unter Dächern,
welch flammender Engel versuch ich auf Suche zu sein!
Doch der Bogen aus Stuck,
so groß, unersichtlich, und so eng begrenzt!
ist ganz ohne Qual.

1935


Muerte

¡Que esfuerzo!
¡Que esfuerzo del caballo por ser perro!
¡Que esfuerzo del perro por ser golondrina!
¡Que esfuerzo de la golondrina por ser abeja!
¡Que esfuerzo de la abeja por ser caballo!
Y el caballo,
¡qué flecha aguda exprime de la rosa!
¡qué rosa gris levanta de su belfo!
Y la rosa,
¡qué rebaño de luces y alaridos
ata en el vivo azúcar de su tronco!
Y el azúcar,
¡qué puñalitos sueña en su vigilia!;
y los puñales,
¡qué luna sin establos, qué desnudos!;
piel eterna y rubor, andan buscando.
Y yo, por los aleros,
¡qué serafín de llamas busco y soy!
Pero el arco de yeso,
¡qué grande, qué invisible, qué diminuto!
sin esfuerzo.

1935


Verlorene Seele

Dich kennen weder die Feige, der Stier,
die Pferde, die Ameisen in deinem Haus.
Dich kennt nicht der Abend, kennt nicht das Kind,
denn du bist gestorben für immer.

Dich kennt nicht der Rücken des Grabsteins,
die schwarze Seide, in der du verwest.
Dich kennt nicht mal das, was dir schweigend gedenkt,
denn du bist gestorben für immer.

Der Herbst kommt gekrochen mit Schnecken,
der Nebeltraube, gebirgigen Ketten,
doch keiner mehr möchte dir schaun in die Augen,
denn du bist gestorben für immer,

denn du bist gestorben für immer,
wie alle die Toten auf Erden,
vergessen bist du wie die Toten
im Haufen verröchelnder Hunde.

Dich kennt keiner. Nein. Doch ich singe,
dir Anmut, Profil zu bewahren.
Die Reife und Pracht deiner Kenntnis.
Dein Todeswunsch und seines Mundes Geschmack.
Dein freudiger Mut voller Trauer.

Kommt einer so licht in der Zukunft,
ein an Wagemut reicher, wie du, Andalusier?
Ich singe sein Lied mit stockender Stimme,
erinnernd wie Trauer Oliven durchstrich.

1935


Alma ausente

No te conoce el toro ni la higuera,
ni caballos ni hormigas de tu casa.
No te conoce el niñ ni la tarde
porque te has muerto para siempre.

No te conoce el lomo de la piedra,
ni el raso negro donde te destrozas.
No te conoce tu recuerdo mudo
porque te has muerto para siempre.

El otoño vendrá con caracolas
uva de niebla y montes agrupados.
Pero nadie querrá mirar tus ojos
porque te has muerto para siempre,

Porque te has muerto para siempre,
como todos los muertos de la Tierra,
como todos los muertos que se olvidan
en un montón de perros apagados.

No te conoce nadie. No. Pero yo te canto.
Yo canto para luego tu perfil y tu gracia.
La madurez insigne de tu conocimiento.
Tu apetencia de muerte y el gusto de su boca.
La tristeza que tuvo tu valiente aegría.

Tardará mucho tiempo en nacer, si es que nace,
un andaluz tan claro, tan rico de aventura.
Yo canto su elegancia son palabras que gimen
y recuerdo una brisa triste por los olivos.

1935


Das Labyrinth

Nicht einmal Zeus hätte mich dem Gewebe
Steinerner Netze letztlich entrissen.
Welche ich war, entschwand meinem Wissen.
Nur endlose Wände. Ich folge dem Wege
Und hasse mein Los. Galerien und Graden,
Die sich am Ende der Jahre verändern,
Geheimnisvoll kreisen. Schwere Geländer
Bröckeln im heimlichen Wuchern der Tage.
Im fahlweißen Staub machten Spuren mir Angst,
Bis aus der Ödnis der Nachmittagsklage
Als dröhnendes Echo Gebrüll zu mir drang.
Ich weiß jetzt: im Schatten der andere droht,
Der sich am Dehnen der Einsamkeit freut,
Die diesen Hades entflechtet und flechtend erneut;
Er dürstet nach Blut, er sucht meinen Tod.
Wir suchen uns beide und hoffen dabei,
Dass heute das Ende der Wartezeit sei.


Labyrinth

Du siehst nicht eine Tür. Von hier ist kein Entrinnen,
Aus dieser Festung, die den Kosmos ganz umschließt,
Von der du weder eine Rückfront, noch die Fassade siehst,
Die Außenmauer nicht, kein sinnerfülltes Innen.
Und glaube nicht vom gnadenlosen Ablauf deines Weges,
Der plötzlich sich in einen anderen verzweigt,
Der plötzlich sich in einen anderen verzweigt,
Dass sich ein Ausweg findet. Dein Schicksal, Ketten trägt es,
Die eisern dir dein Richter auferlegt. Erwarte nicht
Den Angriff eines Stieres, der sich allein als Mensch erweisen
Kann, um in der Pluralform ein schreckliches Gesicht
Als festgefügtes Dickicht steten Steins zu zeigen.
Es gibt ihn nicht. Vergeblich – wird das Warten bleiben,
In schwarzer Dämmerung die Bestie nicht erscheinen.


Hymnus

An diesem Morgen
atmet die Luft unfassbare edle Aromen
der Rosen des Paradieses.
Am Ufer des Euphrat entdeckt
Adam die Frische des Wassers.
Vom Himmel fällt goldener Regen:
die Liebe des Zeus.
Ein Fisch verlässt springend das Meer
und ein Mann aus Agrigent wird sich – erinnernd
diesen Fisch nennen.
In der Höhle von Altamira
streicht eine Hand ohne Gesicht
über den biegsamen Rücken des Büffels.
Langsam streichelt die Hand von Vergil
von Karawanen und Schiffen herbeigetragene Seide
aus dem Reich des gelben Kaisers.
In Ungarn singt die erste Nachtigall.
Jesus erkennt auf der Münze
Cäsars Profil.
Pythagoras enthüllt seinen Griechen,
dass die Zeit wie ein Kreis geformt sei.
Auf einer Insel im Ozean
verfolgen silberne Windhunde goldene Hirsche.
Auf einem Amboss schmieden sie das Schwert,
das Sigurd dienen wird.
In Manhattan singt Whitman.
In sieben Städten wird Homer geboren.
Eine Zofe hat ein weißes Einhorn
noch eben liebkost.
Alles Vergangene kehrt
in einer Welle zurück,
denn diese alten Geschichten berühren dich wieder
im Kuss einer Frau.


Zwei Körper

Zwei konfrontierte Körper
sind manchmal zwei Wellen
und ein Ozean ist die Nacht

Zwei konfrontierte Körper
sind manchmal zwei Steine
und ein ödes Land ist die Nacht

Zwei konfrontierte Körper
sind manchmal Wurzeln
verflochten in der Nacht

Zwei konfrontierte Körper
sind manchmal Messer
und die Nacht ist Blitz

Zwei konfrontierte Körper
sind Sterne: zweisames Fallen
in einen Himmel – der leer


<<Illeguan

Federico García Lorca

Malagalied
Malagueña
Lied
Canción
Reiterlied
Canción de Jinete
Tod
Muerte
Verlorene Seele
Alma ausente

Jorge Luis Borges

Das Labyrinth
Labyrinth
Hymnus

Octavio Paz

Zwei Körper

Aus dem Spanischen