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[Jonathan Swift]

Eine Meditation über einen Besenstiel

von Jonathan Swift

 

Utile dulci.

Diesen einzelnen Stiel, den du jetzt so ruhmlos in jener vergessenen Ecke betrachten kannst, sah ich einst im Zustand der Blüte in einem Wald stehen: Er stand voll im Saft, voller Blätter, und voller Äste: Doch jetzt, umsonst versuchte die geschäftige Kunst des Menschen dadurch mit der Natur in Konkurrenz zu treten, dass sie trockene Reisigbündel um diesen saft- und kraftlosen Stamm band: bestenfalls ist er jetzt das Gegenteil dessen, was er war; ein Baum, der umgedreht wurde, die Äste am Boden, und die Wurzel in der Luft: so wird er nun von jeder dreckigen Dirne benutzt, die zur Schmutzarbeit verdammt wurde; und so wurde er von einer kapriziösen Abart des Schicksals dazu bestimmt, andere Gegenstände zu putzen und dabei selber Ekelgefühle zu erwecken. Über kurz oder lang, nachdem er im Dienst der Mägde bis zum Stumpf abgenutzt wurde, wird er entweder zur Tür hinausgeworfen, oder als letzter Nutzen dazu bestimmt, ein Feuer zu unterhalten. Als ich dies überlegte, seufzte ich, und sagte zu mir selbst DER STERBLICHE MENSCH IST GANZ SICHER EIN BESENSTIEL; die Natur entlässt ihn stark und lebenslustig in die Welt, im Zustand der Blüte, mit eigenem Haar auf dem Kopf, den gesunden Zweigen seiner ansprechenden Vegetabilität; bis die Axt der Unmäßigkeit seine grünen Äste abgehackt haben wird, und ihn als einen vertrockneten Stamm zurücklässt. Dann sucht er bei den Handwerkskünsten Zuflucht, und setzt eine Perücke auf; wertet sich selbst durch ein unnatürliches Bündel von Haaren auf, die über und über mit Puder bedeckt sind und die niemals auf seinem Kopf gewachsen sein können: Doch nun, sollte dieser Besenstiel die Szene betreten wollen, stolz auf diese Reiser, die er nie hervorgebracht hat, über und über mit Staub bedeckt, den die feinste Kammerzofe zusammengekehrt hat; wir wären sofort aufgelegt, seine Eitelkeit zu verlachen und verächtlich zu machen. Parteiische Richter die wir sind beim Lob unserer eigenen Vorzüge, und im Verfolgen menschlicher Schwächen bei Anderen!

Doch ein Besenstiel, wirst du vielleicht sagen, ist das Emblem für einen Baum, der auf dem Kopf steht; und fragen, was der Mensch anderes sei als eine Kreatur, die umgedreht wurde? Seine animalischen Fähigkeiten sind ständig lose an seine Rationalität gebunden; sein Hals ist da, wo der Kopf sein sollte, während er am Boden kriecht. Und dann, bei allen seinen Fehlern, erhebt er sich zum universellen Reformer und zum Verbesserer von Missbräuchen; zum Beseitiger von Beschwernissen; er späht in jedes Schlampen-Eckchen der Natur, um verborgene Missstände ans Licht zu zwingen, und wirbelt gewaltigen Staub auf, wo vorher keiner war; während er die ganze Zeit gerade in jenem tiefen Dreck verweilt, den fortzukehren er vorgibt. Seine letzten Tage verbringt er in der Knechtschaft von Frauen, im Allgemeinen die am wenigsten wertvollen; bis zum Stumpf abgenutzt, wie sein Bruder Bezom, wird er entweder vor die Tür gesetzt, oder dazu benutzt, Flammen zu unterhalten, an denen sich andere wärmen können.

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Übersetzung: Eric Boerner • © Illeguan 2008