Der Smaragd Bernard Gedichte |
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Die Rose von Jerichovon Ivan Bunin |
Als Zeichen des Glaubens an das ewige Leben, an die Auferstehung von den Toten, legte man im Osten in der Antike die Rose von Jericho in Särge und Gräber. Seltsam, dass man als Rose, ja noch dazu als Rose von Jericho, diesen Haufen trockener, stachliger, unserem Steppenkraut ähnlicher Stängel benannte, dieses grobe Gewächs der Wüste, das man nur in den steindurchsetzten Sänden unterhalb des Toten Meers findet, in den menschenleeren Vorgebirgen des Sinai. Doch gibt es eine Überlieferung, dass sie ihren Namen von dem gerechten Savva selbst erhalten hat, der für sein Kloster das schreckliche Feuertal auserwählte, eine nackte tote Schlucht in der Wüste von Judäa. Das Symbol der Auferstehung, das ihm in Gestalt einer wilden Distel übereignet wurde, schmückte er mit dem allersüßesten aller ihm bekannten irdischen Vergleiche. Denn sie ist, diese Distel, wahrhaftig wundervoll. Von einem Pilger herausgerissen und mitgenommen, der tausende Meilen von seiner Heimat entfernt war, kann sie jahrelang trocken, grau und tot herumliegen. Doch ins Wasser gelegt, beginnt sie sich sofort zu öffnen, kleine Blättchen zu zeigen und eine rosige Farbe. Und das arme, menschliche Herz freut und tröstet sich: es gibt keinen Tod auf der Welt, keinen Untergang dessen, was war, als was man einst lebte! Keine Trennung, kein Verlust, solange meine Liebe lebendig ist, die Erinnerung! So tröste ich auch mich, in dem ich in mir die lichtdurchfluteten Länder des Altertums auferstehen lasse, in die ich einmal meinen Fuß gesetzt habe, in jenen seligen Tagen, als die Sonne meines Lebens im Zenit stand, als ich, in der Blüte meiner Kräfte und Hoffnungen, Hand in Hand mit jener, die mir Gott als meine Begleiterin bis ins Grab zugedacht hat, meine erste weite Reise vollendete, meine Hochzeitsreise, die gleichzeitig eine Pilgerreise zur heiligen Erde unseres Herren Jesus Christus war. Im tiefen Frieden der jahrhundertelangen Stille und des Vergessens lag vor uns ihr Palästina – die Tiefen Galiläas, die Hügel Judäas, das Salz und das Schreckgespenst des Pentapolis der Philister. Doch es war Frühling, und auf allen unseren Wegen blühten friedlich und fröhlich genau die gleichen Anemonen und Mohnblumen, die auch zu Zeiten Rachels geblüht haben, taten sich die gleichen Lilien der Felder schön und sangen die gleichen Vögel des Himmels, von deren gesegneter Sorglosigkeit das evangelische Gleichnis kündet … Die Rose von Jericho. In das lebendige Wasser des Herzens, ins reine Nass der Liebe, des Schmerzes und der Zärtlichkeit senke ich die Wurzeln und Stängel meiner Vergangenheit – und von Neuem, von Neuem wie ein Wunder wächst das Gras meiner Erinnerung. Bleib fern von mir, unabwendbare Stunde, wenn dieses Nass versickert sein wird, wenn das Herz verarmt und vertrocknet ist – und in Ewigkeit schon der Staub des Vergessens meine Rose von Jericho überdecken wird. |