Die Rose von Jericho Der Smaragd Gedichte |
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Bernardvon Ivan Bunin |
Von meinen irdischen Tagen sind nur noch sehr wenige verblieben. Und da erinnere ich mich an das, was ich einmal in den Meeralpen über Bernard notiert habe, in unmittelbarer Nähe von Antibes. »Ich schlief fest, als Bernard eine Handvoll Sand an mein Fenster warf …« So beginnt »Auf dem Wasser« von Maupassant, so weckte ihn Bernard vor der Ausfahrt der »Bel Ami« aus dem Hafen von Antibes am 6. April 1888. »Ich öffnete das Fenster, und ins Gesicht, in die Brust, in die Seele hauchte mir die verzaubernde Kälte der Nacht. Die durchscheinende Bläue des Himmels erzitterte im lebendigen Leuchten der Sterne …« »Es ist gutes Wetter, Herr.« »Und der Wind?« »Weht vom Ufer, Herr.« Eine halbe Stunde später sind sie schon auf dem Meer: »Der Horizont erglänzte, und in der Ferne, hinter der Engelbucht, erschienen die Lichter Nizzas, und noch ferner – das kreisende Licht des Leuchtturms von Villefranche … Von den Bergen, die noch unsichtbar waren, – von denen nur erahnt werden konnte, dass sie mit Schnee bedeckt waren, – wurde manchmal ein trockener und kalter Hauch herübergetragen …« Kaum hatten wir den Hafen verlassen, als sich das Boot belebte, erheiterte, Fahrt aufnahm und auf den leichten und schwachen Wellen tanzte … Der Tag begann, die Sterne erloschen … Am fernen Himmel, über Nizza, wurden schon von einem besonderen rosigen Feuer die schneebedeckten Gebirgsketten der Hochalpen entzündet … Ich überließ Bernard das Steuer, um mich am Sonnenaufgang zu erfreuen. Die aufgefrischte Brise jagte uns über eine zitternde Welle, ich vernahm eine ferne Glocke, – irgendwo wurde geläutet, erklang ein Angelus … Wie liebe ich diese leichte und frische Morgenstunde, wenn die Menschen noch schlafen, die Erde aber schon erwacht! Du atmest, trinkst und siehst das erwachende körperliche Leben der Welt, – eines Lebens, dessen Geheimnis unsere ewige und große Qual bleiben wird … Bernard ist mager, gewandt, Ordnung und Sauberkeit ungewöhnlich zugetan, aufmerksam und fürsorglich. Er ist ein offenherziger, treuer Mensch und ein ausgezeichneter Seemann …« So sprach Maupassant von Bernard. Und Bernard selbst sagte über sich Folgendes: »Ich war, glaube ich, ein guter Seemann. Je crois bien que j'étais un bon marin.« Das sagte er, als er im Sterben lag, – es waren seine letzten Worte auf dem Totenbett in jenem selben Antibes, von wo er auf der »Bel Ami« in See stach, am 6. April 1888. Ein Mensch, der Bernard noch kurz vor seinem Tod gesehen hatte, berichtet: »Im Laufe vieler Jahre teilte Bernard das unstete Leben des großen Dichters auf See und trennte sich von ihm erst bei dessen unheilvoller Abreise nach Paris, zu Doktor Blanche. Bernard starb in seinem Antibes. Doch noch vor kurzem erblickte ich ihn auf der sonnigen Kaimauer des kleinen Hafens von Antibes, wo so oft die »Bel Ami« vor Anker gelegen hatte. Hochgewachsen, ausgedörrt, mit energischem und von Meersalzen gegerbtem Gesicht, war Bernard nicht leicht in ein Gespräch zu verwickeln. Doch man brauchte nur Maupassant zu erwähnen, als sich schon seine blauen Augen belebten, und man muss gehört haben, wie er von ihm sprach! Jetzt ist er für immer verstummt. Seine letzten Worte waren: ›Ich war, glaube ich, ein guter Seemann‹«. Ich stelle mir lebhaft vor, wie er gerade diese Worte gesagt hat. Er sprach mit fester Stimme, voller Stolz, sich mit seiner schwarzen, vom Alter ausgetrockneten Hand bekreuzigend: »Je crois bien que j'étais un bon marin.« Doch was wollte er mit diesen Worten ausdrücken? Das freudige Bewusstsein, dass er, auf der Erde lebend, seinen Nächsten als ein guter Seemann nützlich gewesen ist? Nein: sondern dass Gott einem jeden von uns zusammen mit dem Leben das eine oder andere Talent mitgibt und uns die einzige heilige Aufgabe auferlegt, es nicht unnütz in der Erde zu verscharren. Warum, weshalb? Das wissen wir nicht. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass alles in jener für uns unerreichbaren Welt ständig einen besonderen Sinn besitzt, irgendeine höhere göttliche Absicht, die darauf gerichtet ist, dass alles in dieser Welt »gut« sei und dass die sorgfältige Erfüllung dieser göttlichen Absicht immer auch unser Verdienst Ihm gegenüber ist, und deshalb auch eine Freude und ein Grund, stolz zu sein. Auch Bernard wusste und fühlte das. Sein Leben lang hat er sorgfältig, angemessen und treu die bescheidene Pflicht erfüllt, die Gott ihm auferlegt hatte, erfüllte sie nicht aus Furcht, sondern aus dem Gewissen heraus. Und wie hätte er nicht das sagen sollen, was er sagte, in seiner letzten Minute? »Jetzt mache ich mich auf den Weg, Gebieter, als dein Sklave, und jetzt wage ich es Dir und den Menschen zu sagen: Ich war, glaube ich, ein guter Seemann«. »Alles auf dem Meer erfüllte Bernard mit Besorgnis«, schreibt Maupassant, »sowohl eine plötzlich auftretende Strömung, die besagte, dass irgendwo auf dem offenen Meer eine Brise weht, als auch die Wolken über Esterelle, die einen Mistral im Westen anzeigten … Seine Sorge um die Sauberkeit der Jacht ging so weit, dass er nicht einmal einen Tropfen Wasser an irgendeinem metallenen Teil duldete …« Welchen Nutzen konnte es schon dem Nächsten bringen, wenn Bernard diesen Tropfen sogleich wegwischte? Und doch wischte er ihn weg. Warum, weshalb? Weil nämlich Gott selbst es liebt, wenn alles »gut« ist. Er selbst freute sich, als er sah, dass seine gesamte Schöpfung »sehr gut« war. Mir scheint, dass ich mir als Künstler das Recht erworben habe, in meinen letzten Tagen etwas über mich zu sagen, das dem vergleichbar ist, was Bernard sagte, als er starb. 1952 |