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[Daniil Charms]

Rehabilitation

von Daniil Charms

 

Ohne zu prahlen, kann ich sagen, dass, als mir Volodja eine Ohrfeige gab und mir an die Stirn spuckte, ich ihn mir da so vorgenommen habe, dass er es nie mehr vergessen wird. Erst danach schlug ich ihn mit dem Primuskocher, und mit dem Bügeleisen schlug ich ihn abends. So dass er überhaupt nicht sofort gestorben sein kann. Es beweist gar nichts, dass ich ihm tagsüber ein Bein abgeschnitten habe. Da war er noch am Leben. Und Andrjuša habe ich deshalb umgebracht, weil ich nun schon einmal dabei war, und daran kann ich mir überhaupt nicht die Schuld geben. Warum Andrjuša und Elizaveta Antonovna mir in die Hände gefallen sind? Sie kamen mir nichts, dir nichts durch die Tür hereingestürzt. Man beschuldigt mich des Blutdursts, man sagt, ich hätte Blut getrunken, doch das stimmt nicht, ich habe lediglich die Blutlachen und -flecken aufgeschleckt; es ist das natürliche Bedürfnis eines Menschen, seine Spuren zu verwischen, auch wenn es sich nur um ein Bagatellverbrechen handelt. Genauso wenig habe ich Elizaveta Antonovna vergewaltigt. Zum ersten, war sie ja kein kleines Mädchen mehr, und zum zweiten hatte ich es mit einer Leiche zu tun, man braucht sie also nicht zu bedauern. Was daraus folgt, dass sie kurz vor der Niederkunft stand? Ich habe auch das Kind herausgezogen. Und dass es das Licht der Welt nicht mehr erblickt hat, das ist doch nicht meine Schuld. Ich habe ihm nicht den Kopf abgerissen, sondern sein Hals war einfach zu dünn. Es war für dieses Leben nicht geschaffen. Es ist zutreffend, dass ich mit dem Stiefel ihren Hund auf dem Boden zermatscht habe. Aber das wäre nun wirklich zynisch – mich des Mordes an einem Hund zu beschuldigen, wenn gerade daneben, könnte man sagen, drei Menschenleben ausgelöscht worden waren. Das Kind zähle ich nicht. Nun, gut: alles in allem (da kann ich beipflichten) könnte man mir eine gewisse Grausamkeit unterstellen. Doch es mir als Verbrechen anlasten zu wollen, dass ich mich hingehockt habe, um mich über meinen Opfern zu erleichtern, – das ist schon, entschuldigen sie, absurd. Sich zu erleichtern ist ein menschliches Bedürfnis und folgerichtig keinesfalls ein Verbrechen. Ich kann also die Befürchtungen meines Verteidigers durchaus nachvollziehen, hoffe jedoch trotzdem auf einen völligen Freispruch.

Dienstag, den 10. Juni 1941

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Übersetzung: Eric Boerner • © Illeguan 2003