Furcht und Vertrauen
Hast Du mich denn ganz vergessen,
bleibst Du stets vor mir verborgen?
Muss ich meiner Seele Schmerzen
Tag für Tag im Herzen tragen?
Darf der Frevler mich verlästern?
Zeig Dich, Herr, erhöre mich!
Öffne bitte meine Augen,
dass ich keines Todes sterbe,
dass sich nicht die Feinde rühmen:
»Schau, den haben wir besiegt!«
Lass die Feinde sich nicht rühmen,
dass ich schwach bin und gebrochen,
zeig Dich, Herr, zeig Dein Erbarmen,
stets verließ ich mich auf Dich.
Wann darf sich mein Herz erfreuen,
weil Du, Herrgott, mir geholfen?
Wann darf ich Dir Lieder singen,
weil Du Gutes mir gebracht? …
Gottes Sorgfalt als Hirte
Der Herr ist mein Hirte:
ich schöpf' aus dem Vollen.
In grünen Oasen,
an frischen Gewässern
kann sich meine Seele erholen.
Sein Name schon weist mir
die richtigen Wege.
Und wenn ich auch irrte
durch finstere Schluchten,
nie musste ich Absturz
noch Unglück befürchten:
denn Du bist bei mir!
Es treibt mich Dein Stecken,
es bremst mich Dein Stab
seit meiner Geburt
noch bis an das Grab …
Du deckst mir den Tisch
vor dem grimmigen Feind,
Du salbst mir das Haupt
und schenkst mir voll ein.
Und Gutes und Gnade
folgen mir nach
seit meiner Geburt
noch bis an das Grab …
Der Tempel des Herren
steht mir bereit
als Wohnstatt für kurze
und ewige Zeit.
Gebet in der Krankheit
Wer den Armen hilft, den Schwachen,
diesen wird der Herr erretten,
wenn das Unheil ihn befällt.
Diesen wird der Herr beschützen,
wird am Leben ihn erhalten,
wird im Land ihn glücklich machen,
nicht dem Feinde überlassen,
der ihn böse überfällt;
wird ihm seine Schmerzen lindern,
wird ihn in der Krankheit stärken;
sei mir gnädig, Herr, und heil mich,
ich hab wider Dich gefehlt.
Böse reden meine Feinde:
»Er seit tot! Er sei vergessen!«
Und kommt einer mich besuchen,
redet er nur hohles Zeug,
weidet sich an meinen Leiden,
tratscht vor andern alles aus.
Die mich hassen, stehn zusammen,
flüstern vor und hinter mir:
»Ihn befiel die böse Seuche.
Wer da liegt, steht nie mehr auf!«
Selbst der Freund, dem ich vertraute,
mit dem einst mein Brot ich teilte,
er betritt nicht mehr mein Haus.
Aber Du, Herr, sei mir gnädig,
lass mich wieder auferstehen,
dass ich bald mich rächen kann.
Daran kann ich dann erkennen,
dass ich steh in Deiner Gnade,
dass mein Feind nicht triumphiert.
Aufrecht wirst Du mich erhalten,
vor Dein hehres Antlitz stellen,
unversehrt für alle Zeit.
Sei gepriesen und geheiligt
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen, ja so soll es sein!
Hoffnung in größter Not
Verschaffe mir mein Recht, o Gott,
beschütze mich vorm bösen Volk,
befreie mich aus Hinterlist!
Denn, Herrgott, Du bist meine Kraft,
warum nur hast Du mich verstoßen?
Was muss ich fliehn, vom Feind bedrückt?
Schick mir Dein Licht und Deine Treue,
sie solln mich aus der Not befreien
zum heilgen Berge, in Dein Zelt.
Dann trete ich zu dem Altar
voll Jubel, Freude wunderbar
und meine Harfe spielt für Dich.
Erzähl mir, Seele, was dich drückt,
warum du stürmisch mich berückst,
was dich so schrecklich quält!
Ich hoffe auf Gott, noch will ich Ihn rühmen,
das Licht meines Angesichts soll Ihn verkünden,
mein Heil, und meine Zuversicht.
Unter Gottes Schutz
Höre, Gott, meine Beschwerden,
lausche doch meinem Gebet!
Ich rufe Dich vom Rand der Erde:
meine Kräfte sind verweht.
Trage mich zum sichren Felsen;
ich hänge fest, komm nicht mehr hoch!
Du bist mein Turm, die starke Festung,
wenn die Feinde mich bedrohn.
Ich möchte hier, auf alle Zeiten,
in Deinem heilgen Zelt verweiln;
hier, wo mich Deine Flügel halten
in sicherer Geborgenheit.
Was ich versprach, was ich gehalten,
hast Du gehört und angesehn;
so reich belohnst Du jeden, alle
die in Ehrfurcht zu Dir stehn.
Die herrschen, sollen lange leben,
und gut regieren alle Zeit,
wie ich nach Deiner Achtung streben,
dass Güte herrsche allezeit.
Dann werd ich Deinen Namen preisen,
stets halten, was ich Dir versprach,
die Lieder singen, die alten Weisen
und Treue halten Tag für Tag.
Der ewige Gott – der vergängliche Mensch
Herr, solang wir denken können,
warst Du unser Dach.
Du bewirktest das Geschehen,
als die Erde lag in Wehen,
als der Berg erwacht;
bleibst in alle Ewigkeiten,
uns machst Du zu Staub,
uns dorthin zurückzuleiten,
woraus Du uns aufgeklaubt.
Tausend lange Jahre sind für Dich
nichts als ein Tag,
wie das Gestern – schnell vergangen,
schneller als die Nacht.
Scheuchst uns Menschen weg, wir schwinden
wie ein Traum zerrinnt,
wie das Gras, das morgens grünte,
schon am Abend welkt dahin.
Trittst Du zornig uns entgegen,
müssen wir schon bald vergehen,
Du siehst selbst geheimstes Fehlen,
jede Sünde fasst Dein Sinn;
Deine Wut drückt unser Leben
bis es wie ein Seufzer schwindet.
Unser Sein währt siebzig Jahre,
achtzig wurden schon geschafft,
aber selbst die besten waren
Mühe nur und schwere Last.
Alles war geliehen nur
und von uns bleibt keine Spur!
Aber wer kann schon begreifen,
wie sie wütet, Deine Wut?
Sie lässt unsre Herzen reifen,
dass den schmalen Lebensstreifen
man nicht einfach so vertut.
Wie lang willst Du, Herr, noch zürnen,
uns doch Dein Erbarmen zeig,
jeden Morgen lass uns spüren,
dass Du da bist, uns zu führen
und Dich wieder zu uns neigst.
Als dann werden unsre Tage
voller Jubel sein und Dank!
Lange währten Deine Plagen,
schenk uns Freuden grad so lang!
Lass uns auch einmal erleben
Deine große Kraft,
zeige deinen Kindern bebend
Deine große Macht!
Herrgott, lass uns freudig singen,
lass die Arbeit uns gelingen,
zeige Deine ewge Pracht!
Brüderliche Eintracht
Wie ist es gut, wie ist es schön,
wenn Brüder zueinander stehn!
Wie edles Salböl fließt's auf's Haupt,
das sich in Aarons Bart verteilt,
hinabfließt bis zum Kleidersaum;
es fällt herab wie Hermons Tau,
der auf dem Zionsberg verweilt.
Der Herr schenkt Segen allezeit
und Leben für die Ewigkeit.
Klage in der Gefangenschaft
An den Flüssen von Babylon
saßen wir und weinten,
als wir dachten an Zion,
als wir gedachten der Heimat.
Die uns in Gefangenschaft
willenlos versklavten,
sprachen: »Singt uns Lieder vor,
die von Zion lachen!«
Dass wir sie zu Sang und Spiel
niemals mehr erreichten,
hängten unsre Harfen wir
in die höchsten Weiden.
Wie sollten wir im fremden Land
des Herren Worte sprechen?
Vergess ich dich, Jerusalem,
verdorre meine Rechte!
Denk ich an dich, Jerusalem,
dann löst sich meine Zunge,
dass du die höchste Freude bist,
das künden meine Lungen.
Vergiss den Söhnen Edoms nicht,
Herr, was sie damals sprachen:
»Reißt alles nieder bis zum Grund!«
Dafür musst du sie strafen!
Wohl dem, der, der Verwüsterin,
an Babel wird zum Rächer;
wohl dem, der ihre Kinder nimmt
und sie am Fels zerschmettert!
Gott, der Schutz der Schwachen
Ich lob den Herrn mit meiner Seele,
ich lob den Herrn mein ganzes Leben,
ich lobe Gott, solang ich bin.
Vertrau nicht dem, der groß und mächtig,
vertraue auch auf keinen Menschen,
denn du empfängst kein Heil durch ihn.
Im Tode wird sein Geist entschwinden,
mit Erde sich sein Leib verbinden
und alle Pläne sind vorbei.
Wohl dem, der seine Hoffnung setzte
auf Jakobs Herrn; Gott wird ihm helfen
und bleibt für alle Zeit ihm treu.
Er schuf den Himmel und die Erde,
Er schuf die Tiefen und die Meere
und alles, was da kreucht und fleucht.
Er rettet alle aus der Not:
Er bringt dem Hungernden das Brot,
dem Unterdrückten schafft Er Rechte,
Er macht Gefangne wieder frei,
den Blinden bringt Er's Sehen bei,
Er stützt Gebeugte, liebt Gerechte.
Der Herr beschützt die Heimatlosen,
die Witwen, Waisen, Nackten, Bloßen;
doch Böse lässt Er irregehn.
Dein Herrgott herrscht für alle Zeit,
durch Generationen, in Ewigkeit,
o Zion, kannst nicht untergehn.
Preist alle den Herrn
Lobt den Herrn in Seinem Tempel,
in der Festung Seiner Macht!
Lobt den Herrn für Seine Taten,
Seine Herrlichkeit und Pracht!
Lobt Ihn klangvoll mit Posaunen;
Harfen, Psalter stimmen ein;
Tanzt den Reigen, schlagt die Pauken,
blast die Pfeifen, streicht die Saiten!
Lobt den Herrn mit hellen Zimbeln,
grell ertöne Glockenklang!
Alles, was Atem hat, lobe Jehova,
alles, was atmet, singt Halleluja!
1
Wer arm und verachtet ist,
der soll sich rühmen,
da er Gottes Achtung besitzt!
Die Reichen und Mächtigen
muss es bekümmern,
dass sie vor Gott nicht mehr sind als nichts.
Sie gleichen den Blumen auf den Wiesen,
wenn sengend die Sonne steht im Zenit:
Es dorren die Blätter, es fallen die Blüten,
schnell ist die ganze Schönheit verblüht.
So endet der Reichtum, so endet die Macht:
Sie haben am Schluss leere Taten vollbracht.
2
»Heute sind wir hier, doch morgen
fahren wir in jene Stadt,
wo wir ein Jahr lang besorgen,
dass wir reich sind und stets satt!«
Was könnt ihr vom Morgen wissen?
Euer Leben ist ein Hauch,
der dem Wasser kaum entrissen
in den Höhen löst sich auf.
Sagt nur: »Wenn's der Herr ermöglicht,
leben wir noch, was zu tun!«
Stolz seid ihr, und überheblich;
solcher Hochmut geht zugrund.
Übrigens: Wer Zeit und Mittel
hat zu einer guten Tat
und sie unterlässt, dem wird es
schlecht ergehn, weil Schuld ihn plagt.
3
Lasst das Schwören, lasst das Schwören,
wenn ihr was beteuern wollt;
beim Himmel nicht, noch bei der Erde,
nicht beim Silber, nicht beim Gold.
Wenn ihr Ja meint, dann sagt Ja!
meint ihr Nein, dann sprecht ein Nein!
denn sonst wird am Jüngsten Tag
Gottes Zorn der Richter sein.
4
Ein Fünkchen setzt den Wald in Brand,
die ganze Welt das Zungenband;
von der Wiege bis zur Bahre
dieses Feuer wir erfahren.
Alles hält der Mensch im Zaum:
Tier und Pflanze, Zeit und Raum,
doch ungehemmt das Maul verschießt
sein böses Gift, das tödlich ist.
Eben noch wird Gott gelobt,
dann der Mitmensch bös bedroht.
Aus demselben Munde dringen
Fluch und Segen, Kreischen, Singen …
Brüder, nein!
das darf nicht sein!
Keine Feige trägt Oliven,
salzger Quell ist niemals süßlich,
wie am Weinstock wächst der Wein,
so soll euer Sprechen sein.