Michail Jur'evič Lermontov

geboren am 15. Oktober 1814 in Moskau
gestorben am 27. Juli 1841 in Pjatigorsk


[Michail Lermontov (1876)] Neben Puškin und Baratynskij der hervorstechendste Lyriker der russischen Romantik, in seinen Versen aber im Gegensatz zu diesen schon deutlich auf die Lyrik der Dekadenz und des Symbolismus vorausweisend.
Nach dem frühen Verlust der Mutter wurde Lermontov von der Großmutter aufgezogen, die ihn von seinem Vater fernhielt. Er begann schon in der Schule erste Gedichte im volkstümlich-romantischen Stil zu schreiben, mit dem Beginn des Studiums drängen immer stärker auch freiheitliche Themen und revolutionäre Begeisterung in seine Dichtung ein. Eine gewisse Berühmtheit errang er zudem mit pornographischen Versen, die unzensiert in Russland erst Ende des 20. Jahrhunderts erscheinen konnten!
Schlagartig bekannt wurde Lermontov aber erst mit seinem Gedicht auf den Tod Puškins, in dem er höfische Intrigen für den großen Verlust verantwortlich machte. Dies brachte ihm Verhaftung und eine Versetzung in den Kaukasus ein, dessen Atmosphäre einen nachhaltigen Einfluss auf sein Werk nehmen sollte.
1838 konnte Lermontov auf Betreiben seiner Großmutter und Žukovskijs nach Petersburg zurückkehren, wo er neben einer Reihe großer Poeme auch seinen Roman »Ein Held unserer Zeit« schrieb, der richtungweisend für die psychologisierende und mehrdimensionale Romanform des Realismus wurde.
Ein Duell (1840) wurde zum Vorwand für eine weitere Versetzung Lermontovs in den Kaukasus, wo er nach einem kurzen Heimaturlaub in Kreise geriet, die durch Intrigen ein Duell herbeiführten, bei dem er mit nur 26 Jahren ums Leben kam.
Lermontov hat die russische Lyrik besonders im klanglichen Bereich stark erweitert und bis dahin ungehörte ironische Brechungen herbeigeführt. Die Hinwendung auch zum Bösen in der menschlichen Natur weisen auf Baudelaire voraus, zu dem ihm nur noch der Schritt zum bewusst kalkulierten Ästhetizismus fehlte. Der tiefe Verlust wirkte so nachhaltig, dass die russische Lyrik erst wieder mit dem Symbolismus des beginnenden 20. Jahrhunderts an Lermontovs Leistungen anknüpfen konnte.

Eric Boerner


Prophezeiung

Ein Jahr wird kommen, Russlands schwarzes Jahr,
Es fällt des Zaren Krone, stürzt der Zar;
Die Masse schnell vergisst, wie sie ihn liebte,
Und Blut und Tod wird Nahrung sein für viele;
Wenn Kinder und die Fraun nicht mehr's Gesetz
Beschützen kann, das blutig abgesetzt;
Wenn Pest von toten Körpern voll Gestank
Durch Dörfer zieht, bedauernswert und krank,
Bis alle Hütten öde und verwaist,
Und Hunger dieses arme Land zerreißt;
Wenn tiefes Rot der Flüsse Wellen färbte,
An diesem Tag erscheint ein Mann der Stärke,
Und du erkennst ihn – und verstehst sogleich,
Warum in seiner Hand das Messer leuchtet;
Leid über dich! – Dein Stöhnen und dein Weinen
Wird ihm nicht einmal lächerlich erscheinen;
Und finster wird es, wenn er schrecklich schnaubt,
So wie sein Umhang mit erhobnem Haupt.

1830


Der Kelch des Lebens

Wir trinken aus des Daseins Kelch,
        Die Augen fest verschlossen,
Und haben auf den goldnen Rand
        Schon Tränen viel vergossen;

Wenn aber uns der nahnde Tod
        Das Augenband entwindet,
Und alles, was uns Freude bot,
        Mit diesem Band entschwindet,

Dann sehen wir: es stellt sich leer
        Die goldne Schale dar,
Der Trank in ihr – ein Traum, und mehr:
        Sie gar nicht unsre war.

1831


Der Engel

Den Mitternachtshimmel ein Engel durchzog,
        Sang leise ein Lied, als er flog,
Der Mond und die Sterne, die Wolken gesamt,
        Sie lauschten dem heiligen Liede gebannt.

Er sang von der Seligkeit sündloser Seelen
        In den Gebüschen der Gärten von Eden,
Er sang von der göttlichen Größe, sein Lob
        Keinesfalls trog.

Er trug eine Seele, die jung war, im Arm
        In eine Welt voller Tränen und Harm;
Der Ton seines Lieds in der Seele noch lang
        Lebendig auch ganz ohne Worte erklang.

Sie quälte im Weltlauf noch lange sich still
        Von herrlicher Sehnsucht erfüllt,
Nie konnte verdrängen den himmlischen Klang
        Der irdische, öde Gesang.

1831


* * *

Sollt ich auch irgend eine lieben:
Die Liebe schmückt mein Leben nicht,
Ist stets als dunkler Fleck geblieben
Meinem Herz; sie brennt – kein Licht.
Da Feindschaft mich zum Handeln treibt,
Lebe ich so, wie andre sterben:
Wie der Allmächtige – allein
In schöner Welt – mir zum Verderben.

1831


* * *

Nein, bin nicht Byron, bin ein andrer,
Bin auserwählt, doch unbekannt,
Ein von der Welt gehasster Wandrer
Wie er, doch aus dem Russenland.
Fing früher an, und ende früher,
Sehr viel ich nicht vollenden werd;
Wie eine Last in Meerestiefen
Liegt meine Hoffnung ganz zerstört.
Wer könnte, finstrer Ozean,
Dir die Geheimnisse entreißen,
Dem Volk enthülln meinen Verstand?
Ich – oder Gott – und sonst nicht einer! –

1832


Ein Segler

Einsam glänzt ein weißes Segel
In des Meeres blauem Nebel!
Von der Fremde, was verlangt's?
Was verblieb am Heimatstrand? …

Winde heulen, treiben Wogen,
Und der Mast knarrt weggebogen …
Weh, der Segler sucht kein Glück,
Und er weist es nicht zurück!

Unter ihm strömt helle Bläue,
Golden strahlt die Sonn aufs Neue …
Mit der Windsbraut will er rechten,
Als wenn Stürme Ruhe brächten!

1832


Der Zweig aus Palästina

Sag mir, Zweig aus Palästina,
Wo du erblüht bist, wo du wuchst;
Welchen Tälern, welchen Hügeln
Dientest du einmal als Schmuck?

Warst du an reinen Jordanwassern
Des Ostens warmes Licht gewohnt,
Wiegte dich der Nachtwind hassend
Im Gebirge Libanons?

Wurden Gebete leis gesprochen,
Stimmten sie alte Lieder an,
Als deine Blätter sie geflochten,
Die armen Söhne Suleimans?

Ist wohl die Palme noch am Leben?
Lockt sie noch stets in Sommers Glut
Den Wandrer in die Wüstenebne
Mit ihrem Haupt, das weithin lugt?

Ist sie beim Abschied, der untröstlich,
Vor Sehnsucht ganz wie du verwelkt,
Und Erdenstaub seit langem legt sich
Auf die Blätter, ledrig-gelb …

So sprich: wer hat mit frommen Händen
Dich in dieses Land gebracht?
Bewahrst du Spuren heißer Tränen,
Weil er dich traurig oft betrachtet?

War er der beste Gotteskrieger
Mit nie umwölkter Stirn und Herz
Wie du, der sich am Himmel wiegte,
Den Menschen gleich den Göttern wert? …

Weil jemand dich bewahrt ganz heimlich,
Stehst du vor dem Ikonenbild,
Damit du, Zweig Jeruschalaims, hier
Sorgsam es bewachen willst.

Der Lampenschein in finstrer Helle,
Schrein und Kreuz, heilges Symbol …
Alles ist in deiner Nähe
Ganz mit Trost und Frieden voll.

1837


* * *

Verlach nicht meine Schwermut, die prophetisch;
Ich weiß: dem Schicksalsschlag entgeh ich nicht;
Zum Richtplatz von der Brust, die liebend hebt sich,
Muss der Kopf, den fest du an dich drückst;
Ich sagte dir: dass in der Welt ich fände
Nicht Ruhm noch Glück, – denn ich werd blutig enden
Und ich falle, doch mit bösem Lächeln
Verdüstert Feindschaft mein Genie, das nicht erblüht;
      Und ich sterbe, keine Spur mehr setzend
      Meiner Hoffnung, meiner schweren Müh.
Doch ohne jede Angst erwart ich's frühe Ende.
Die Welt, die neue, Zeit wird's sie zu sehn;
Mag meinen Kranz zertrampeln auch die Menge,
      Des Sängers Kranz, in dem die Dornen stehn! …
Mag sein! da ich ihn niemals hoch geschätzt.
.       .       .       .       .       .       .       .       .       .       .

1837


* * *

Hör deine Stimme ich
Klangvoll und zärtlich,
Wie's Vöglein im Käfig
Hüpft mir das Herz;

Treff ich deiner Augen
Tiefes Azur,
Schon will meine Seele
Hinaus aus der Brust,

Und irgendwie fröhlich
Möchte man weinen
Und sich dir werfen
Direkt an den Hals.

1837


* * *

Dein Blick erstrahlt so wie der Himmel,
        So wie Emaille blau,
Wie Küsse fließen und erklingen
        All deine Worte traut;

Für einen Ton der Zauberrede,
        Für einen Blick von dir,
Würd ich sofort mein Schönstes geben,
        Den Damaszener hier;

Schau, wie süß er manchmal glitzert,
        Und süßer noch erklingt,
Bei diesem Klang die Seele zittert,
        Das Herz im Brustkorb springt.

Des Kriegers und Rebellen Härte
        Mich länger nicht erbaut,
Seit ich dein zartes Stimmchen hörte,
        Den lieben Blick geschaut.

1837


(Предсказание)

Настанет год, России черный год,
Когда царей корона упадет;
Забудет чернь к ним прежнюю любовь,
И пища многих будет смерть и кровь;
Когда детей, когда невинных жен
Низвергнутый не защитит закон;
Когда чума от смрадных, мертвых тел
Начнет бродить среди печальных сел,
Чтобы платком из хижин вызывать,
И станет глад сей бедный край терзать;
И зарево окрасит волны рек:
В тот день явится мощный человек,
И ты его узнаешь – и поймешь,
Зачем в руке его булатный нож;
И горе для тебя! – твой плач, твой стон
Ему тогда покажется смешон;
И будет всё ужасно, мрачно в нем,
Как плащ его с возвышенным челом.

1830


Чаша жизни

Мы пьем из чаши бытия
        С закрытыми очами,
Златые омочив края
        Своими же слезами;

Когда же перед смертью с глаз
        Завязка упадает,
И всё, что обольщало нас,
        С завязкой исчезает;

Тогда мы видим, что пуста
        Была златая чаша,
Что в ней напиток был – мечта,
        И что она – не наша! –

1831


Ангел

По небу полуночи ангел летел
        И тихую песню он пел,
И месяц, и звезды, и тучи толпой
        Внимали той песне святой.

Он пел о блаженстве безгрешных духов
        Под кущами райских садов
О боге великом он пел, и хвала
        Его непритворна была.

Он душу младую в объятиях нес
        Для мира печали и слез;
И звук его песни в душе молодой
        Остался – без слов, но живой.

И долго на свете томилась она
        Желанием чудным полна,
И звуков небес заменить не могли
        Ей скучные песни земли.

1831


* * *

Пусть я кого-нибудь люблю:
Любовь не красит жизнь мою.
Она как чумное пятно
На сердце, жжет, хотя темно;
Враждебной силою гоним
Я тем живу, что смерть другим:
Живу – как неба властелин –
В прекрасном мире – но один.

1831


* * *

Нет, я не Байрон, я другой,
Еще неведомый избранник,
Как он гонимый миром странник,
Но только с русскою душой.
Я раньше начал, кончу ране,
Мой ум немного совершит;
В душе моей как в океане
Надежд разбитых груз лежит
Кто может, океан угрюмый,
Твои изведать тайны?
Кто Толпе мои расскажет думы?
Я – или бог – или никто! –

1832


Парус

Белеет парус одинокой
В тумане моря голубом. –
Что ищет он в стране далекой?
Что кинул он в краю родном?

Играют волны, ветер свищет,
И мачта гнется и скрыпит;
Увы, – он счастия не ищет
И не от счастия бежит! –

Под ним струя светлей лазури,
Над ним луч солнца золотой; –
А он, мятежный, просит бури,
Как будто в бурях есть покой!

1832


Ветка Палестины

Скажи мне, ветка Палестины,
Где ты росла, где ты цвела,
Каких холмов, какой долины
Ты украшением была?

У вод ли чистых Иордана
Востока луч тебя ласкал,
Ночной ли ветр в горах Ливана
Тебя сердито колыхал?

Молитву ль тихую читали
Иль пели песни старины,
Когда листы твои сплетали
Солима бедные сыны?

И пальма та жива ль поныне?
Всё так же ль манит в летний зной
Она прохожего в пустыне
Широколиственной главой?

Или в разлуке безотрадной
Она увяла, как и ты,
И дольний прах:ложится жадно
На пожелтевшие листы…

Поведай: набожной рукою
Кто в этот край тебя занес?
Грустил он часто над тобою?
Хранишь ты след горючих слез?

Иль божьей рати лучший воин
Он был, с безоблачным челом,
Как ты, всегда небес достоин
Перед людьми и божеством?..

Заботой тайною хранима
Перед иконой золотой
Стоишь ты, ветвь Ерусалима,
Святыни верный часовой.

Прозрачный сумрак, луч лампады,
Кивот и крест, символ снятой…
Всё полно мира и отрады
Вокруг тебя и над тобой.

1837


* * *

Не смейся над моей пророческой тоскою;
Я знал: удар судьбы меня не обойдет;
Я знал, что голова, любимая тобою,
С твоей груди на плаху перейдет;
Я говорил тебе: ни счастия, ни славы
Мне в мире не найти; – настанет час кровавый,
И я паду, и хитрая вражда
С улыбкой очернит мой недоцветший гений;
      И я погибну без следа
      Моих надежд, моих мучений.
Но я без страха жду довременный конец.
Давно пора мне мир увидеть новый;
Пускай толпа растопчет мой венец:
      Венец певца, венец терновый!..
Пускай! я им не дорожил.
.       .       .       .       .       .       .       .       .       .       .

1837


* * *

Слышу ли голос твой
Звонкий и ласковый,
Как птичка <в клетке>
Сердце запрыгает;

Встречу ль глаза твои
Лазурно-глубокие,
Душа им навстречу
Из груди просится,

И как-то весело
И хочется плакать,
И так на шею бы
Тебе я кинулся.

1837


* * *

Как небеса твой взор блистает
        Эмалью голубой,
Как поцелуй звучит и тает
        Твой голос молодой;

За звук один волшебной речи,
        За твой единый взгляд,
Я рад отдать красавца сечи,
        Грузинский мой булат;

И он порою сладко блещет,
        И сладостней звучит,
При звуке том душа трепещет,
        И в сердце кровь кипит.

Но жизнью бранной и мятежной
        Не тешусь я с тех пор,
Как услыхал твой голос нежный
        И встретил милый взор.

1837


Inhalt:  >>

Prophezeiung
(Предсказание)
 
Der Kelch des Lebens
Чаша жизни
 
Der Engel
Ангел
 
Sollt ich auch irgend eine lieben
Пусть я кого-нибудь люблю
 
Nein, bin nicht Byron, bin ein andrer
Нет, я не Байрон, я другой
 
Ein Segler
Парус
 
Der Zweig aus Palästina
Ветка Палестины
 
Verlach nicht meine Schwermut, die …
Не смейся над моей …
 
Hör deine Stimme ich
Слышу ли голос твой
 
Dein Blick erstrahlt so wie der Himmel
Как небеса твой взор блистает

>> [1] [2] [3] <<
>> Gedichte und Epigramme (Buch)
>> Gedichte (kindle ebook)

>> Russische Romantik
>> Ivan Krylov
>> Aleksandr Puškin
>> Evgenij Baratynskij

Michail Lermontov (1)