[Federzeichnung von Markus Valazza]

François Villon (1431 – 1463?)

Ballade von Villon und der fetten Margot

Weil ich sie liebe und der Schönen eifrig diene,
Bin ich deshalb ein Trottel, gar ein Schuft?
In höchsten Tönen lobt man ihre Dienste.
Ich trag der Liebsten Schild und Ritterkluft;
Und naht ein Gast, dann flücht ich, schnappe Luft,
Mich zieht's zum Wein, da wird nicht groß geflucht;
Ich reich noch Wasser, Käse, Brot und Frucht.
Wird gut bezahlt, dann sag ich: »War's auch gut?
Kommt wieder, wenn die Brunft im Nacken sitzt,
In dies Bordell, das unsre Heimat ist.«

Nur manchmal gibt es einen großen Krach,
Wenn ohne Geld zum Schlafen kommt Margot;
Das leid ich nicht, dann kocht mein Herz vor Hass.
Ich filze ihre Kleider, auch den Unterrock,
»Wo bleibt mein Anteil?«, schrei ich, doch verstockt
Stemmt sie sich in die Hüfte, ganz der Antichrist.
Sie schreit und schwört, beim toten Jesus Christ,
Dass sie nichts hat. Da pack ich sie in Rage
Und handschriftlich gibt's was in die Visage
In dem Bordell, das unsre Heimat ist.

Wir schließen Frieden, ich lass einen Furz,
Der heller blitzt als ein Karfunkelstein.
Sie lacht und gibt mir einen auf die Nuss
Und sagt: »Nun komm!« und rammelt mich ganz kurz,
Und wie Besoffne schlafen wir dann ein.
Und beim Erwachen, wenn der Magen knurrt,
Besteigt sie mich, aus Angst vor Fehlgeburt.
Sie macht mich flach, wenn sie so auf mir sitzt;
Bricht mir fast alle Knochen, wenn sie hurt
In dem Bordell, das unsre Heimat ist.

    Geleit
Ob's hagelt, stürmt, ob's schneit, ich werd gewärmt.
Ich bin ein Hurenbock, zu dem die Hure passt.
Was wollt ihr? Gleich und Gleich gesellt sich gern.
Zur miesen Ratte passt die schlechte Katz.
's ist eins wie's andre. Mist gehört zu Mist.
Dass uns die Ehre flieht, soll uns nicht störn
In dem Bordell, das unsre Heimat ist.


Villons hübsche Lektion
für die verlorenen Söhne

»Liebe Kinder, euer Stern wird sinken,
Die schönste Rose welkt an eurem Hut,
Klebt schnell an euren Händen fremdes Gut;
Verlegt ihr euch aufs Kartenzinken
Und schlagt gern zu, dann hütet eure Haut:
Für die Missachtung kleinlicher Gesetze
Und weil er auf ein Bittgesuch vertraut,
Ging Colin de Cayeux in Fetzen.

Hier geht's nicht um ein kleines Fangespiel,
Hier geht's ans Leder, um die Seele schon,
Verliert ihr, sterbt ihr unter Spott und Hohn,
Die tiefste Reue nützt dann nicht mehr viel;
Gewinnt ihr, winkt euch keine Frau als Lohn
Wie Dido, die einst Karthago regiert;
Den letzten Rest Verstand hat der verlorn,
Der um ein Nichts mit höchstem Einsatz spielt.

He, lauft nicht weg, hört weiter, liebe Kinder!
Es ist die reine Wahrheit, wenn man sagt,
Dass nur ein volles Fass dem Mann behagt,
Wer Sommers Holz hackt, der sitzt warm im Winter.
Noch nie hat sich das Geld von selbst erneut,
Doch ihr verstreut's in alle Winde.
Wen hätte solch ein Erbe je erfreut?
Auf Unrecht hat sich Wohlstand nie gegründet.«


Lied

Komm ich erst frei aus Kerkerhaft,
Wo fast ich's Leben musste lassen! …
Wie sehr kann doch Fortuna hassen;
Seht nur, welch Fehler sie gemacht!
Zum Ausgleich werd' ich reich bedacht
Für alle Strafen, die mich trafen,
          Komm ich erst frei.

Doch wenn sie wütend weitermacht
Und Qualen weiter niederprasseln,
Dann bitt' ich Gott, mich einzulassen!
In Seines Paradieses Pracht
          Komm ich erst frei.


Grabinschrift und Rondo

Grabinschrift

Im Grab schläft hier ein Mann, der war
Mit Amors Pfeilen gut bekannt,
Ein kleiner Bettler, ein Scholar,
Der sich François Villon genannt.
Und er besaß kein Fleckchen Land,
Verschenkte alles bis aufs Hemd:
Tisch, Richtblock, Mitgift, Brot und Tand.
Mit diesem Psalm ihr sein gedenkt:


Rondo

Herr, schenke ihm den ewgen Frieden
Und auch des Himmels stete Helle,
Er hatte weder Napf, noch Teller,
Kein Petersilienblatt hienieden.
Kein Haar war seinem Kopf verblieben,
'ner Rübe glich er, die man schälte.
    Herr, schenke ihm den ewgen Frieden.

Lang war ihm das Exil beschieden,
Sein Arsch bekam so manche Delle,
Sein Schrei »Ich widerspreche!« gellte,
Ein Wort, das besser er vermieden.
    Herr, schenke ihm den ewgen Frieden.


Ballade, in welcher Villon
allen seinen Dank abstattet

Den Karthäusern, Zölestinern,
Bettelmönchen, Parvenüs,
Tagedieben, den Schlawinern,
Dienern und den Mädchen, süß,
Die in Leibchen, langen Kleidern ruhn,
Da stets nach Liebe krank,
Lackeln in lackierten Schuhen,
Allen sag ich: »Habet Dank!«

Dirnen, die da Titten zeigen,
Um der Freier Zahl zu mehrn,
Künstlern, die mit Fideln geigen,
Gauklern mit dressierten Bärn,
Narren, Irren, dummen Hühnern,
Die zu sechst spaziern zum Tanz,
Frechen Buben und Betrügern,
Allen sag ich: »Habet Dank!«

Doch niemals diesen Wächter-Hunden,
Die mir steinharte Krusten gaben,
Gaunern, die den Marktplatzkunden
Durch Geschrei das Geld abjagen.
Für solche möcht' ich furzend speien,
Doch sitz ich grad, bin nicht im Stand.
Ach was, um Aufruhr zu vermeiden,
Sag ich auch solchen: »Habet Dank!«

    Geleit
Zertrümmert ihnen fünfzehn Knochen
Mit Vorschlaghämmern, hart und blank,
Lasst sie in Flüssigblei zerkochen,
Dann sag ich allen: »Habet Dank!«


Der Vierzeiler, den Villon verfasste,
als er zum Tode verurteilt war

Ich bin François und hab verlorn,
In Pontoise zu Paris geborn,
Um meinen Hals ein Seil geriet,
Das fest mein Arsch zusammenzieht.


Ballade von der Selbsterkenntnis

Ich kenn den Menschen schon am Kleid;
Ich kenne in der Milch die Fliegen;
Das Schlechte, das stets gut gedeiht;
Den Apfel an des Astes Biegen;
Am Harz weiß ich den Baum zu nennen
Und weiß, wie alles ähnelt sich,
Wie Arbeit schmeckt; weiß auszupennen;
Nur mich alleine kenn ich nicht.

Ich kenn das Wams, seh ich den Kragen;
Die Kutte mir das Mönchlein nennt;
Ich ahn den Hausherrn schon beim Pagen;
Am Schleier ich die Nonne kenn;
Ich weiß, wie gut uns Sahne nährt;
Dass uns verletzt, wer Böses spricht;
Vom Fass les ich des Weines Wert;
Nur mich alleine kenn ich nicht.

Beim Maultier ich das Pferd noch seh,
Weiß seine Tragkraft jedes Mal;
Ich kenne Bietrix und Bellet;
Der Münzen Wert und ihre Zahl;
Ich kenn den Diener, Sohn, den Mann;
Weiß, wie'n Zigeuner Lügen spricht,
Den Traum, der sich im Schlaf entspann;
Nur mich alleine kenn ich nicht.

    Geleit
Fürst, ich kenn alles schon im Schlaf:
Den Teint, die Blässe des Gesichts,
Den Tod, der alle trifft und traf;
Nur mich alleine kenn ich nicht.


Schlussballade

Hier schloss Villon, der Arme, ab
Sein Leben und sein Testament.
Begleitet ihn noch bis ans Grab,
Solang die Totenglocke tönt;
Und, weil er starb im Liebesjoch,
Tragt nur Zinnober als Ornat;
Auf seinen Lümmel schwor er noch,
Als er die Welt verlassen hat.

Ich glaube ihm, dass er nicht lügt;
Die Liebste jagte ihn davon
Und war so sehr von Hass erfüllt,
Dass es von hier bis Roussillon
Den Busch, der ihn nicht durchgebürstet,
Nicht gibt, das hat er wahr gesagt,
Sein Rock sich bis zum Nabel kürzte,
Als er die Welt verlassen hat.

So war er halt, und litt viel Not,
Zuletzt besaß er keinen Fetzen;
Ja, schlimmer noch, denn kurz vorm Tod
Er Hoffnung in die Liebe setzte:
Und diese gab ihm dann den Rest
Mit einem harten Peitschenschlag;
Ein Schwein, der ihn nicht höchlichst schätzt,
Seit er die Welt verlassen hat.

    Geleit
Fürst, wenn es euch genehm erscheint,
Nenn ich noch seine letzte Tat:
Er schluckte gierig Schierlingswein,
Als er die Welt verlassen hat.


Ballade de Villon et de la grosse Margot

Se j'ayme et sers la belle de bon hait,
M'en devez vous tenir a vil ne sot?
Elle a en soy des biens a fin souhait.
Pour son amour sains bouclier et passot;
Quant viennent gens, je cours et happe ung pot,
Au vin m'en fuis, sans demener grant bruit;
Je leur tens eaue, frommage, pain et fruit.
S'ilz paient bien, je leur dis: «Bene stat;
Retournez cy, quant vous serez en ruit,
En ce bordeau ou tenons nostre estat!»

Mais adoncques il y a grant deshait,
Quant sans argent s'en vient couchier Margot;
Veoir ne la puis, mon cuer a mort la hait.
Sa robe prens, demy saint ou surcot,
Si luy jure qu'il tiendra pour l'escot.
Par les costés se prent, c'est Antechrist.
Crie, et jure, par la mort Jhesucrist,
Que non sera. Lors j'empongne ung esclat;
Dessus son nez luy en fais ung escript,
En ce bordeau ou tenons nostre estat.

Puis paix se fait, et me fait ung gros pet
Plus enflambé qu'ung vlimeux escharbot.
Riant, m'assiet son poing sur mon sommet,
Gogo me dit, et me fiert le jambot.
Tous deux yvres, dormons comme ung sabot.
Et, au resveil, quant le ventre luy bruit,
Monte sur moy, que ne gaste son fruit.
Soubz elle geins, plus qu'un aiz me fait plat;
De paillarder tout elle me destruit,
En ce bordeau ou tenons nostre estat.

    Envoi
V'ente, gresle, gelle, j'ay mon pain cuit.
Ie suis paillart, la paillarde me suit.
Lequel vault mieulx? Chascun bien s'entresuit.
L'ung vault l'autre; c'est a mau rat mau chat.
Ordure amons, ordure nous assuit;
Nous deffuyons onneur, il nous deffuit,
En ce bordeau ou tenons nostre estat.


Belle leçon de Villon
aux enfans perduz

«Beaulx enfans, vous perdez la plus
Belle rose de vo chappeau;
Mes clers pres prenans comme glut,
Se vous allez a Montpipeau
Ou a Rueil, gardez la peau:
Car, pour s'esbatre en ces deux lieux,
Cuidant que vaulsist le rappeau,
La perdit Colin de Cayeux.

«Ce n'est pas ung jeu de trois mailles,
Ou va corps, et peut estre l'ame.
Qui pert, riens n'y sont repentailles
Qu'on n'en meure a honte et diffame;
Et qui gaigne n'a pas a femme
Dido la royne de Cartage.
L'homme donc est fol et infame
Qui, pour si peu, couche tel gage.

«Qu'ung chascun encore m'escoute!
On dit, et il est vérité,
Que charretee se boit toute,
Au feu l'yver, au bois l'esté.
S'argent avez, il n'est enté;
Mais le dependez tost et viste.
Qui en voyez vous herité?
Jamais mal acquest ne prouffite.»


Lay

Au retour de dure prison,
Ou j'ai laissié presque la vie,
Se Fortune a sur moy envie,
Jugiez s'elle fait mesprison!
Il me semble que, par raison,
Elle deust bien estre assouvie
          Au retour.

Se si plaine est de desraison
Que vueille que du tout devie,
Plaise a Dieu que l'ame ravie
En soit lassus en sa maison,
          Au retour.


Epitaphe et Rondeau

Epitaphe

Cy gist et dort en ce sollier,
Qu'amours occist de son raillon,
Ung povre petit escollier,
Qui fut nommé Françoys Villon.
Oncques de terre n'ot sillon.
Il donna tout chascun le scet:
Tables, tresteaulx, pain, corbeillon.
Amans, dictes en ce verset:


Rondeau

Repos eternel donne a cil,
Sire, et clarté perpetuelle,
Qui vaillant plat ni escuelle
N'eut oncques, n'ung brain de percil.
Il fut rez, chief, barbe et sourcil,
Comme ung navet qu'on ret ou pelle.
    Repos eternel donne a cil.

Rigeur le transmit en exil
Et luy frappa au cul la pelle,
Non obstant qu'il dit: «J'en appelle!»
Qui n'est pas terme trop subtil.
    Repos eternel donne a cil.


Ballade par laquelle Villon
crye mercy a chacun

A Chartreux et a Celestins,
A Mendians et a Devotes,
A musars, a claquepatins,
A servans, a filles mignotes
Portans surcotz et justes cotes,
A cuidereaux d'amours transsis
Chaussans sans meshaing fauves botes,
Je crie a toutes gens mercis.

A filletes monstrans tetins
Pour avoir plus largement d'ostes,
A ribleurs, mouveurs de hutins,
A bateleurs, traynons marmotes,
A folz, folles, a sotz et sotes,
Qui s'en vont siflant six et six,
A marmosetz et a mariotes,
Je crie a toutes gens mercis.

Sinon aux traistres chien matins,
Qui m'ont fait chieres dures crostes
Maschier mains soirs et mains matins,
Qu'ores je ne crains que trois crotes.
Je feisse pour eulx petz et rotes;
Je ne puis, car je suis assis.
Au fort, pour eviter riotes,
Je crie a toutes gens mercis.

    Envoi
Qu'on leur froisse le quinze costes
De gros mailletz, fors et massis,
De plombees et telz pelotes.
Je crie a toutes gens mercis.


Le Quatrain, que feit Villon
quand il fut jugé à mourir

Ju suis François, dont ce me poise,
Né de Paris emprès Ponthoise.
Or d'une corde d'une toise
Saura mon col que mon cul poise.


Ballade des menus propos

Je congnois bien mouches en laict;
Je congnois à la robe l'homme;
Je congnois le beau temps du laid;
Je congnois au pommier la pomme;
Je congnois l'arbre à veoir la gomme;
Je congnois quand tout est de mesme;
Je congnois qui besongne ou chomme;
Je congnois tout, fors que moy-mesme.

Je congnois pourpoinct au collet;
Je congnois le moyne à la gonne;
Je congnois le maistre au valet;
Je congnois au voyle la nonne;
Je congnois quand piqueur jargonne;
Je congnois folz nourriz de cresme;
Je congnois le vin à la tonne;
Je congnois tout, fors que moy-mesme.

Je congnois cheval du mulet;
Je congnois leur charge et leure somme;
Je congnois Bietrix et Bellet;
Je congnois gect qui nombre et somme;
Je congnois vision en somme;
Je congnois la faulte des Boesmes;
Je congnois filz, varlet et homme:
Je congnois tout, fors que moy-mesme.

    Envoi
Prince, je congnois tout en somme;
Je congnois coulorez et blemes;
Je congnois mort qui nous consomme;
Je congnois tout, fors que moy-mesme.


Autre ballade

Icy se clost le testament
et finist du pauvre Villon.
Venez a son enterrement,
Quant vous orrez la carillon,
Vestus rouge com vermillon,
Car en amours mourut martir;
Ce jura il sur son couillon,
Quant de ce monde voult partir.

Et je croy bien que pas n'en ment;
Car chassié fut comme ung souillon
De ses amours hayneusement,
Tant que, d'icy a Roussillon,
Brosse n'y a ne brossillon
Qui n'eust, de dit il sans mentir,
Ung lambeau de son cotillon,
Quant de ce monde voult partir.

Il est ainsi, et tellement,
Quant mourut n'avoit qu'ung haillon;
Qui plus, en mourant mallement
L'espoignoit d'Amours l'esguillon:
Plus agu que le ranguillon
D'un baudrier luy faisoit sentir,
C'est de quoy nous esmerveillon,
Quant de ce monde voult partir.

    Envoi
Prince, gent comme esmerillon,
Sachiez qu'il fist au departir:
Ung traict but de vin morillon,
Quant de ce monde voult partir.


<<Illeguan

Ballade von Villon und der fetten Margot
Ballade de la grosse Margot
 
Villons Lektion für die verlorenen Söhne
Belle leçon aux enfans perduz
 
Lied
Lay
 
Grabinschrift und Rondo
Epitaphe et Rondeau
 
Ballade, in der Villon Dank abstattet
Ballade par laquelle Villon crye…
 
Der Vierzeiler, den Villon verfasste
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