[Arthur Rimbaud]

Jean Arthur Rimbaud (1854 – 1891)

Dem Winter zugeträumt

                        für … Sie

Der Winter, wir fahren im kleinen Waggon,
      Rosig auf bläuliche Polster gebettet.
Uns geht es gut. Ein Nest aus Küssen thront
      Verwirrt in all den weichen Ecken.

Du schließt dein Aug, willst nicht mehr sehn, durch's Glas
      Die Fratzen der nächtlichen Schatten:
Gefräßige Monster, die pöbelnden Massen
      Der schwarzen Dämonen, der Wölfe und Ratten.

Dann spürst du ein Krabbeln auf deiner Backe …
      Ein kleiner Kuss, über Schulter und Nacken
      Flitzt er, wie eine Spinne, so sacht …

Und du sagst mir: »Such!«, beginnst dich zu winden.
Wir haben's nicht eilig, dies Tierchen zu finden,
      Das, unüberlegt, weite Reisen macht …

Im Waggon, 7. Oktober 1870


Der Schläfer im Tal

Ein Fleckchen im Grünen, wo's Flüsschen singt,
Mit silbrigen Fetzen die Gräser behängt,
Wild rauschend; wo vom Gebirge die Sonne blinkt:
Ein kleines Tal, das Lichtbündel fängt.

Mit offenem Mund liegt barhäuptig da
Ein Soldat, der den Nacken in Kresse erfrischt,
Er schläft ganz nackt und streckt sich im Gras,
Seinem Bett, ganz bleich, getroffen vom Licht.

Die Füße mit Gladiolen bedeckt, schläft er,
Grient wie ein krankes Kind, träumt schwer:
Halt warm ihn, Natur, ihn friert, er leidet.

Die Düfte reizen nicht mehr seine Nase;
Er hat, die Hand auf der Brust, im Grase,
Zwei rote Löcher in der rechten Seite.

Oktober 1870


In der Grünen Schänke

      5 Uhr nachmittags

Acht Tage lang schon hatte ich meine Botten
Im Straßenschotter zerfetzt. Kam nach Charleroi.
Die grüne Schänke: ich verlangte nach Butter
Auf Brot und mit Schinken, der halb gekühlt war.

Ich streckte die Beine unter dem Tisch,
Dem grünen, aus: und sah die naiven Motive
Auf der Tapete. – Wie wundervoll frisch
Dies Mädchen schaute mit riesigen Titten

– Tja, so eine könnte kein Kuss mehr erschrecken! –
Und fröhlich beginnt sie den Tisch mir zu decken
Mit Schinkenbrot, lauwarm, auf farbigem Teller,

Mit weiß-rotem Schinken von Knoblauchzehen
Behaucht, – vor mir kam ein Schoppen zu stehen,
Den golden ein Sonnenstrahl schäumend erhellte.

Oktober 1870


Die Kesse

Im dunklen Speisesaal, der einen Duft
Nach Lack und Frucht verströmte, kratzte ich
Das Geld für so ein belgisches Gericht
Zusammen, fläzte mich auf breitem Stuhl.

Ich lausche beim Essen glücklich der Uhr,
Die Küchentür öffnet sich schnell wie der Wind,
Hereintritt – warum nur? – die Kellnerin,
Das Brusttuch halb offen, mit kesser Frisur

Und während ihr kleiner Finger ihr zitternd
Die Wange streichelt, den Pfirsich rot-weiß,
Zieht sie eine Schnute mit kindlichen Lippen,

Und klimpert mit Tellern vor mir, – mir wird heiß;
Dann, so, – ganz sicherlich, gleich wird geküsst, –
Ganzt tief: »Fühl mal, hab mir ein Backe verkühlt.«

Charleroi, Oktober 1870


Mein Künstlerleben

(Eine Fantasie)

Die Hände in den Taschen löcherig gezäumt;
Mein Mantel war desgleichen nicht mehr völlig neu;
Ging ich unterm Himmel, Muse! nur dir treu;
Oh! la! la! um von herrlicher Liebe zu träumen!

Die einzige Hose – ein einziges Loch.
– Dem träumenden Däumling fällt's wandernd nicht schwer
Zu reimen. Mein Gasthaus heißt – der Große Bär.
– Die Sterne, sie raschelten süß, himmelhoch

Und ich lauschte, am Wegesrand hockend, ihr,
Der Nacht des Septembers, auf meiner Stirn
Spürt' ich die Tautropfen, kräftig wie Wein;

Und dichtend im Umfeld fantastischer Schatten,
Zupft ich die Senkel, die Leierklang schnarrten,
Der löchrigen Schuh, und mein Herz stimmte ein.


Die Raben

Wenn, Herr, der Anger kühler wird,
Wenn von den Weilern, grau und alt,
Kein lautes Angelus mehr schallt
Und sich Natur entblättert ziert …
Dann lass der Raben traute Schatten
Vom weiten Himmel niederflattern.

Verqueres Heer, das krächzend schreit,
Der Eiswind greift die Nester an!
Fliegt an schlammgelben Flüssen lang,
Über Gräben hinweg, an Käffern vorbei,
Zum Galgenberg auf altem Pfad,
Schwärmt aus, versammelt euch allda!

Kreist dort, wo Frankreichs Flagge weht,
Wo Tote schlafen, tausendfach
Im Winter ohne Unterlass,
Damit ein jeder in sich geht!
Zur Pflicht rufst du uns nicht vergebens,
Du schwarzer Vogel Totengräber!

Doch, Himmlische, im Eichenwipfel,
Auf Fahnenmast im Dämmerschein,
Lasst jene Spaß für's Vöglein sein,
Die tief ins Unterholz verstrickt sind,
Im Gras, die keine Flucht mehr wagen,
In aussichtloser Niederlage.


Kopf des Fauns

Im Laubwerk, grün und goldgefleckt verschachtelt,
Im Laubwerk, schwankend, wo ein Küsschen schläft
Und Blumen blühn in wunderbarer Pracht
Wie Stickerein, ermüdend und belebt:

Zwei Augen zeigt ein wirrer Faun und beißt
Mit weißen Zähnen all die roten Blüten
Ganz blutigrot und braun wie alten Wein,
Durch Zweig und Ast bricht's Lachen seiner Lippen.

Nachdem er wie ein Eichhörnchen entfloh,
Erschüttert noch sein Lachen jedes Blatt,
Und man erkennt, von Dompfaffen bedroht,
Den goldnen Kuss des Walds, der Andacht hat.


Die Zöllner

Die da sagen: Verdammt! Die da sagen: So'n Kack!
Soldaten, Matrosen, Reichsabfall, Alte,
Sind nichts im Vergleich mit den Zollbundsoldaten,
Sie spalten den Grenzhimmel mit breiter Axt.

Wenn Bäume schleckt kuhmäulig waldiger Schatten,
Pfeife im Maul, Klinge zur Hand, genervt und auf Zack,
Dann kommen sie, Doggen am Halfter gepackt,
Des Nachts ihren furchtbaren Spaß zu vergattern!

Das moderne Gesetz wird der Faunin erklärt.
Auch Fausts und Diavolos werden befallen.
»Vorbei ist das Alte! Zeigt her eure Ballen!«

Besondre Behandlung die Jugend erfährt:
In Ruhe durchsucht man die weiblichen Reize!
Die Hölle für Straftäter, die sie ergreifen!

_____________
Zollbundsoldaten: bei Rimbaud »Soldaten des Vertrages«,
also die Grenzsoldaten des entstehenden Deutschen Reiches
nach dem Friedensvertrag von 1871. Bei mir eine Zusammenziehung
aus Zollverein, Deutscher Bund und Grenzsoldaten.

vergattern: beim deutschen Militär werden Wachposten nach der
formellen Belehrung ihrem Diensthabenden mit dem Kommando
»Vergatterung« unterstellt, also vergattert.

Faust, Fra Diavolo: Hier wohl Anspielung auf die Opern
von Gounod und Auber. Typisch für Rimbaud ist die Verlegung
von Figuren der Kunst in einen realen Kontext.

(E. B.)



Rêvé pour l'hiver

            À… Elle.

L'hiver, nous irons dans un petit wagon rose
      Avec des coussins bleus.
Nous serons bien. Un nid de baiser fous repose
      Dans chaque coin moelleux.

Tu fermeras l'œil, pour ne point voir, par la glace,
      Grimacer les ombres de soir,
Ces monstruosités hargneuses, populace
      De démons noirs et de loups noirs.

Puis tu te sentiras la joue égratignée…
Un petit baiser, comme une folle araignée,
      Te courra par le cou…

Et tu me diras : «Cherche!» en melinant tête,
– Et nous prendrons du temps à trouver cette bête
      – Qui voyage beaucoup…

En Wagon, le 7 octobre 1870.


Le Dormeur du val

C'est un trou de verdure où chante une rivière
Accrochant follement aux herbes des haillons
D'argent; où le soleil, de la montagne fière,
Luit : c'est un petit val qui mousse de rayons.

Un soldat jeune, bouche ouverte, tête nue,
Et la nuque baignant dans le frais cresson bleu,
Dort; il est étendu dans l'herbe, sous la nue,
Pâle dans son lit vert où la lumière pleut.

Les pieds dans les glaïeuls, il dort. Souriant comme
Sourirait un enfant malade, il fait un somme :
Nature, berce-le chaudement : il a froid.

Les parfums ne font pas frissonner sa narine;
II dort dans le soleil, la main sur sa poitrine
Tranquille. Il a deux trous rouges au côté droit.

Octobre 1870.


Au Cabaret-Vert

 cinq heures du soir

Depuis buit jours, j'avais déchiré mes bottines
Aux cailloux des chemins. J'entrais à Charleroi.
Au Cabaret-Vert : je demandai des tartines
De beurre et du jambon qui fût à moitié froid.

Bienheureux, j'allongeai les jambes sous la table
Verte : je contemplai les sujets très naïfs
De la tapisserie. – Et ce fut adorable,
Quand la fille aux tétons énormes, aux yeux vifs,

– Celle-là, ce n'est pas un baiser qui l'épeure! –
Rieuse, m'apporta des tartines de beurre,
Du jambon tiède, dans un plat colorié,

Du jambon rosé et blanc parfumé d'une gousse
D'ail, – et m'emplit la chope immense, avec sa mousse
Que dorait un rayon de soleil arriéré.

Octobre 1870.


La Maline

Dans la salle à manger brune, que parfumait
Une odeur de vernis et de fruits, à mon aise
Je ramassais un plat de je ne sais quel met
Belge, et je m'épatais dans mon immense chaise.

En mangeant, j'écoutais l'horloge, – heureux et coi.
La cuisine s'ouvrit avec une bouffée, –
Et la servante vint, je ne sais pas pourquoi,
Fichu moitié défait, malinement coiffée

Et, tout en promenant son petit doigt tremblant
Sur sa joue, un velours de pêche rosé et blanc,
En faisant, de sa lèvre enfantine, une moue,

Elle arrangeait les plats, près de moi, pour m'aiser;
– Puis, comme ça, – bien sûr, pour avoir un baiser, –
Tout bas : «Sens donc, j'ai pris une froid sur la joue…»

Charleroi, Octobre 1870.


Ma Bohème

(Fantaisie)

Je m'en allais, les poings dans mes poches crevées;
Mon paletot aussi devenait idéal;
J'allais sous le ciel, Muse! et j'étais ton féal;
Oh! là! là! que d'amours splendide j'ai rêvées!

Mon unique culotte evait un large trou.
– Petit-Poucet rêveur, j'égrenais dans ma course
Des rimes. Mon auberge était à la Grande-Ourse.
– Mes étoiles au ciel avaient un doux frou-frou

Et je les écoutais, assis au bord des routes,
Ces bons soirs de septembre où je sentais des gouttes
De rosée à mon front, comme un vin de vigueur;

Où, rimant au milieu des ombres fantastiques,
Comme des lyres, je tirais les èlastiques
De mes souliers blessés, un pied près de mon cœur!


Les Corbeaux

Seigneur, quand froide est la prairie,
Quand dans les hameaux abattus,
Les longs angélus se sont tus…
Sur la nature défleurie
Faites s'abattre des grands cieux
Les chers corbeaux délicieux.

Armée étrange aux cris sévères,
Les vents froids attaquent vos nids!
Vous, le long des fleuves jaunis,
Sur les routes aux vieux calvaires,
Sur les fossés et sur les trous
Dispersez-vous, ralliez-vous!

Par milliers, sur les champs de France,
Où dorment des morts d'avant-hier,
Tournoyez, n'est-ce pas, l'hiver,
Pour que chaque passant repense!
Sois donc le crieur du devoir,
Ô notre funèbre oiseau noir!

Mais, saints du ciel, en haut du chêne,
Mât perdu dans le soir charmé,
Laissez les fauvettes de mai
Pour ceux qu'au fond du bois enchaîne,
Dans l'herbe d'où l'on ne peut fuir,
La défaite sans avenir.


Tête de faune

Dans la feuillée, écrin vert taché d'or,
Dans la feuillée incertaine et fleurie
De fleurs splendides où le baiser dort,
Vif et crevant l'exquise broderie,

Un faune effaré montre ses deux yeux
Et mord les fleurs rouges de ses dents blanches
Brunie et sanglante ainsi qu'un vin vieux
Sa lèvre éclate en rires sous les branches.

Et quand il a fui – tel qu'un écureuil –
Son rire tremble encore à chaque feuille
Et l'on voit épeuré par un bouvreuil
Le Baiser d'or du Bois, qui se recueille.


Les Douaniers

Ceux qui disent: Cré Nom, ceux qui disent macache,
Soldats, marins, débris d'Empire, retraités,
Sont nuls, très nuls, devant les Soldats des Traités
Qui tailladent l'azur frontière à grands coups d'hache.

Pipe aux dents, lame en main, profonds, pas embêtés,
Quand l'ombre bave aux bois comme un mufle de vache,
Ils s'en vont, amenant leurs dogues à l'attache,
Exercer nuitamment leurs terribles gaîtés!

Ils signalent aux lois modernes les faunesses.
Ils empoignent les Fausts et les Diavolos1.
«Pas de ça, les anciens! Déposez les ballots!»

Quand sa sérénité s'approche des jeunesses,
Le Douanier se tient aux appas contrôlés!
Enfer aux Délinquants que sa paume a frôlés!


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