Evgenij Rejn (* 1935)

* * *

Mit Schneeschmelze kalt sich vermischte
Der baltisch gestrandete Sand.
Wie möchte ich labern und zischeln!
Doch keinen zum Quatschen ich fand.

Mich anginamäßig benagen,
Verwandtschaftlich liegend im Streit,
Die letzten aprilischen Tage
Und erste Maienzeit.

Über den Eisbruch des Busens,
Als Ziel ausgemacht den Nordwest,
Stehe ich murmelnd und fluchend,
Was sich hier sagen nicht lässt.

Mein Kehlkopf beginnt jetzt zu leugnen,
Wie schnell man mich ausgelöscht hat!
Sie will mich verurteiln zum Schweigen
Die Erde, die frisch, kalt und glatt.


* * *

Der nordische Himmel zeigt's deutlich und klar,
Dass nirgends sich offenbar nichts offenbart.


* * *

Dunkler Niesel in der Gasse,
Keiner stopft die Socken mir –
Davon singt der Dieb, der nasse,
Der vor Schwermut fast krepiert.

Grade das muss er besingen,
Nichts kommt sonst aus ihm heraus.
Niemand könnt er was erzählen,
Niemand lässt ihn in sein Haus.

Schwarzer Kaffee, schwarzer Kaffee,
Weißgestreifter roter Wein,
Was ist nur mit euch, ihr Teuren,
Fällt euch wirklich gar nichts ein.

Wenn ich komme, ungerufen,
Und bis auf die Knochen nass,
Und dann euer Bad besuche
Bis zum Morgen, dürft ich das?

Was wär eifrig zu bereiten?
Jemand schloss die Häuser zu …
Grade der streut Kleinigkeiten
In den Himmel, Zug um Zug.

Vielleicht fällt aus jenen Welten
Als ein Groschenwasserfall
Grippenrotz und Spuckerkältung
Als Verdienst fürs simple Volk?


Jim

     Der alte Vagabund aus Addis-Abbeba
                   Nikolaj Gumilëv

Du alter Vagabund aus Koktebel',
der du seit 11 Jahren deinen Dienst als Hund tust,
du fast reinrassiger Deutscher Schäferhund,
du legst dich zu meinen Füßen hin,
ganz egal was im Fernsehen läuft,
ganz gleich was auf der Veranda los ist.
Im Schreckenskasten – das Fußballhalbfinale,
bei Tisch – die letzten Gerüchte und Streitereien,
sogar die sind dir egal.
Dabei bist du selbst in den entferntesten Ländern bekannt:
in London, New York, Montreal,
in San Francisko, München und Paris
erinnert man sich an dich.
Denn viele kamen über diese Veranda.
Wenn sie kamen, klirrtest du mit der Kette,
belltest aus Eifer und um Auskunft zu geben.
Dann wurde dein Halsband von der Leine gelöst.
Mit würdig aufgeblasener Brust
standest du auf der Veranda.
»Jim!«, rief man dich, »Jimmi, Jimmilein!«
Das war angenehm.
Aber die Würde – das war die Hauptsache.
Die Gäste kommen und gehen,
doch ein Deutscher Schäferhund bleibt …
Jahr um Jahr kamen Gäste,
Jahr um Jahr sprachen Gäste,
tranken Bier, Tee, Milch und Wodka,
und wiederholten lustige Wörtchen:
»Er reiste aus«, »sie reiste aus«, »sie reisen aus«,
»kabakov«, »sapgir«, »savickij«, »brodskij«,
»jackson pollock«, »wewe nabokov«, »limonov«,
und wieder – »reisten aus«, »werden ausreisen«, »reisen aus« …
Und so wurde es auf der Veranda weniger eng,
doch immer noch kommt die Melkerin Klava
und bringt Milch in Eimerchen vorbei,
und es rauscht und lärmt der verfluchte Kasten.
Träumst du, Jim? Das ist dein Recht als Hund.
Auch ich schlafe beim Fernsehen ein,
und offensichtlich sind unsere Träumereien angenehmer
als all dieser Lärm und das Getue.
Noch haben wir das Ende des Jahrhunderts nicht erreicht,
mein verehrter Hund.
Warum zieht es uns zurück
in unsere Jugend, wo wir mit der Kette geklirrt haben?


* * *

Ich habe erst Warschau und später dann Prag nicht gerettet.
Ich habe versagt, Vergebung gibt's nicht meiner Schuld.
Verflucht ist mein Haus, man wird es vernageln mit Brettern,
Dies Haus des Bösen, der Sünde, von Mord und Betrug.

Und an es gefesselt mit ewig unsichtbarer Kette,
Find ich auch Labe und Trost in dem schrecklichen Haus,
Wo's finster, versoffen und arm ist, in rußiger Ecke,
Dort, wo mein schuldloses Volk, das gottverlassene, haust.

1973


* * *

Hätt Peter seine Stadt am Schwarzen Meer errichtet,
Die Zarentränen einst zum Bosporus gesandt,
Wir lebten ohne Schwermut, ohne Kälte in den Blicken,
Sie stieg in unsrer Gunst, dem Schicksal wär gedankt.

Und Nereiden würden in den Kanälen spielen,
Nicht diese Kreaturen im blaugefleckten Schnee,
Wir müssten träumen nicht, Beleidigung nicht fühlen,
Weil ein gesunder Geist in Göttern, Helden lebt.

Und würde Peters Stadt als Weinberg talwärts eilen,
Terrassen und Spaliere drängten Wellenschlag zurück,
Der Abgott überm Abgrund, der kupferfarbne Reiter
Zerträte keine Leiber mit erdenschwerem Tritt.

Kein Beil unter der Achsel, und kein Mantel,
Venedigs ewig freundschaftlicher Gruß,
Azurne Träume würden unter Lidern wandeln,
Die Säulen Herakles', die Flügel Ikarus' …


* * *

Wär ich in Deutschland geboren, als man mich gebar,
Oder in einem andern europäischen Land:
In Frankreich, in Österreich, Polen, – die Hölle aus Gas
Hätt mich erfasst, wie Reisig im Feuer verbrannt.
Doch hatte ich Glück – in Russland betrat ich die Welt,
Eine Welt, so verwirrend, von Süße erfüllt keinen Tag,
Unverbesserlich, schamlos, halbnackt, abgerissen, zerquält,
Untragbar – und dennoch: mein Überleben – es gab's.

Doch auch: Arithmetik auf diese Art macht mich nicht stolz,
Wie keine Frucht aus dem Boden unendlichen Leids.
Weine, mein glückliches Herz! Hast du's denn gewollt,
Das Eintrittsbillet, das Siegel und Stempel vereint,
Zum Meldebüro des Entsetzens? Man sagt: noch unter dem Gras,
Noch stiller als Wasser. Zum sinnlosen Wirbeln der Sterne verdammt!
Und tränenlos schaut, der auch keine Antwort parat hat,
Nicht der beliebteste Dichter, doch der ohne jegliche Angst.


* * *

Über dem kahlen Feld träumt der Himmel,
Und dieser Weg, er ist weißer als weiß.
Von den enthaupteten Glockentürmen
Es die Glocken herniederreißt.

Sie stürzen mit offenen Armen herunter,
Und auf den Schneetrassen vagabundiern
Vereinzelte Klänge gereiht und verwundet,
Bis auf die Augen zubandagiert.

Der stille Frost und der Sommer der Träume
Zittern unter den Füßen vor Glut,
Glockenklänge erfüllen die Räume
Dieser Erde mit wogender Flut.


* * *

diese frauen die im fenster
äußerst eilig uns verführen
lustvoll regen sich gewänder
die erst einmal feuer schüren
finger kleben an der naht
und das soda heilt der lippen
lebenszweck bleibt unbekannt
ausweglose sommerhitzen
dieser juli er verdirbt
mit höchst flüchtiger verführung
eine handvoll pillen kirrt
da zu leichtem schlaf sie führen
hinterm hof die sterne sind
wie gewohnt bedeckt mit sternen
und das reich der lust zerrinnt
einvernehmlich in die ferne
augenwassers firmament
spielt ganz frech noch ein paar streiche
keiner den hier niemand kennt
weiß zustimmend auszuweichen


* * *

Nicht mehr's Gesicht, nicht mehr die Stimme,
Nur telefonisches Namensgeklingel.
Wie in Polen ist alles durchmessen, –
Wer klug ist, heuchelt Interesse.
Wir üben uns nicht mehr im Necken,
Trinken Balsam schadensklug,
Heut uns Augenmesser schrecken,
Früher war ein Kuss genug.
Herbstgestirne, Aschenreste,
Geistverwirrt, Falsches genascht,
Seit die Liebe blind verweste,
Blieb nur der Hass, blieb nur die Schlacht.
Herr, bedrückt, allein und einsam,
In den Waschkittel gesteckt,
Wie im Orinocoselva
Kolsomolze sucht den Weg.


Europa

Durchgestylte Ebnen,
Wälder schweigen hier.
Glattgekämmte Seelen;
Schönheit: nur frisiert.
Lärm rührt kaum die Ohren,
langsam wird mein Schritt.
Faul und ungeschoren
meine Seele fliegt.

(2005?)

* * *

Холодный песок прибалтийский
Замешан на талом снегу,
Как хочется мне проболтаться!
А вот не могу, не могу.

Ангиной во мне наболели,
И стали как будто сродни
Последние числа апреля
И первые майские дни.

Над льдистой разрухой залива,
Норд-весту попав на прицел,
Стою, бормочу торопливо,
Что к месту сказать не сумел.

Мне больше не сладить с гортанью,
Как скоро меня извели!
И вот я причислен к молчанью
Холодной и дерзкой земли.


* * *

Под северным небом яснее всего,
Что нету совсем ничего. Ничего.


* * *

Темный дождик в переулке,
Негде высушить носки –
Вот про это пели урки,
Умирая от тоски.

Вот про это, вот про это,
Вовсе ни о чем другом.
Никого нельзя проведать,
И никто не пустит в дом.

Черный кофе, черный кофе,
Красно-белое вино,
Дорогие, что вы, что вы,
Разве вам не все равно?

Если я войду, незваный,
Отсыревший до нутра,
И устроюсь возле ванной
До шести часов утра?

Что же делать? Что же делать?
Кто-то запер адреса.
Он же щедро сыплет мелочь
Чаевую в небеса.

Или, может быть, оттуда
Водопадом пятаков
Опускается простуда –
Заработок простаков.


Джим

     Старый бродяга в Аддис-Абебе…
               Николай Гумилев

Старый бродяга из Коктебеля,
одиннадцать лет собачьего стажа,
почти чистокровная немецкая овчарка,
ты разлегся у меня под ногами,
безразличен к телевизору,
к суматохе на веранде.
В страшном ящике – полуфинал футбола,
за столом – последние сплетни, –
даже к ним ты равнодушен.
А ведь ты известен в самых дальних странах:
в Лондоне, Нью-Йорке, Монреале,
в Сан-Франциско, Мюнхене и Париже
тебя вспоминают.
Потому что многие прошли через веранду.
Ты гремел навстречу им цепью,
лаял охотно или так, для отчета,
тогда освобождали твой ошейник.
Грудь свою раздувая достойно,
появлялся ты на веранде.
«Джим! – кричали тебе. – Джимушка, Джимчик!»
Это было приятно.
Но достоинство – вот что основное.
Гости приходят и уходят,
но немецкая овчарка остается...
Год за годом приходили гости,
год за годом говорили гости,
пили пиво, чай, молоко и водку,
повторяли смешные словечки:
«он уехал», «она уехала», «они уезжают»,
«кабаков», «сапгир», «савицкий», «бродский»,
«джексон поллак», «веве набоков», «лимонов»
и опять – «уехали», «уезжают», «уедут»…
Вот и стало на веранде не так тесно,
но всегда приходит коровница Клава
и приносит молоко в ведерке,
и шумит, гремит проклятый ящик.
Дремлешь, Джим? Твое, собака, право.
Вот и я под телевизор засыпаю,
видно, наши сны куда милее
всей этой возни и суматохи.
Не дошли еще мы до кончины века,
уважаемая моя собака.
Почему же нас обратно тянет
в нашу молодость, где мы гремели цепью?


* * *

Это я не спасла ни Варшаву тогда и ни Прагу потом
это я, это я, и вине моей нет искупленья,
будет наглухо заперт и проклят да будет мой дом,
дом зла, дом греха, дом обмана и дом преступленья.

И, прикована вечной незримою цепью к нему,
я усладу найду и отраду найду в этом страшном дому,
в закопченном углу, где темно, и пьяно, и убого,
где живет мой народ без вины и без Господа Бога.

1973


* * *

Когда бы град Петров стоял на Черном море,
Когда бы царь в слезах прорвался на Босфор,
Мы б жили без тоски и холода во взоре,
По милости судьбы и к ней попав в фавор.

В каналах бы тогда плескались нереиды
Не так, как эта тварь в снегу и синяках,
Не снились бы нам сны, не мучили обиды,
И был бы здравый смысл в героях и богах.

Когда бы град Петров с горы, как виноградник,
Шпалерами сбегал к уступчатым волнам,
Не идол бы взлетел над бездной,– Медный Всадник
Не мчался б, приземлясь, по трупам, по телам.

Тогда б ни топора под мышкой, ни шинели,
Венеция б в веках подругой нам была,
Лазурные бы сны под веками пестрели,
Геракловы столбы, икаровы крыла…


* * *

Когда б я родился в Германии в том же году,
Когда я родился, в любой европейской стране:
Во Франции, в Австрии, в Польше,– давно бы в аду
Я газовом сгинул, сгорел бы, как щепка в огне,
Но мне повезло – я родился в России, такой,
Сякой, возмутительной, сладко не жившей ни дня,
Бесстыдной, бесправной, замученной, полунагой,
Кромешной – и выжить был все-таки шанс у меня.

И я арифметики этой стесняюсь чуть-чуть,
Как выгоды всякой на фоне бесчисленных бед.
Плачь, сердце! Счастливый такой почему б не вернуть
С гербом и печатью районного загса билет
На вход в этот ужас? Но сказано: ниже травы
И тише воды. Средь безумного вихря планет!
И смотрит бесслезно, ответа не зная, увы,
Не самый любимый, но самый бесстрашный поэт.


* * *

Бредит небо над голым полем,
И дорога белым-бела.
С обезглавленных колоколен
Облетают колокола.

Опадают, раскинув руки,
И по ниточкам снежных трасс
Одиноко блуждают звуки,
Забинтованные до глаз.

Тихой стужей и летом сонным
Под ногами дрожит, пыля,
До краев колокольным звоном
Переполненная земля.


* * *

эти женщины в окне
торопливые соблазны
все движения в огне
предварительно согласны
пальцы липкие по шву
губ лекарственная сода
я не знаю чем живу
это лето без исхода
этот пагубный июль
с обольщением проворным
словно горсточка пилюль
с легким действием снотворным
снова окна через двор
звездной россыпью привычной
скоротечный уговор
царство похоти первичной
небосвод в глазной воде
недоверчивая шалость
никому никто нигде
отказаться соглашаясь

* * *

Ни лица, ни голоса больше,
Телефонный набор имен.
Все измерено, все как в Польше, –
Договаривай, кто умен.
Больше в упряжи не балуем,
Поздней мудрости пьем бальзам.
Прежде в сумерках поцелуем –
Нынче лезвием по глазам.
Звезды осени, горки пепла,
По затмению на любой,
С той поры, как любовь ослепла,
Только ненависть на убой.
Жутко, Господи, одиноко,
Словно в моечной пиджаку,
Словно в сельве над Ориноко
Комсомольскому вожаку.


Европа

Причесанная суша,
безмолвные леса.
Причесанные души,
причесана краса.
И шум не тронет уши,
медлителен мой шаг.
Моя здесь бьет баклуши
лохматая душа.

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Evgenij Rejn

Mit Schneeschmelze kalt sich vermischte
Холодный песок прибалтийский
Der nordische Himmel zeigt's deutlich …
Под северным небом яснее всего
Dunkler Niesel in der Gasse
Темный дождик в переулке
Jim
Джим

Natal'ja Gorbanevskaja

Ich habe erst Warschau und später …
Это я не спасла ни Варшаву …

Aleksandr Kušner

Hätt Peter seine Stadt …
Когда бы град Петров …
Wär ich in Deutschland geboren …
Когда б я родился в Германии …

Aleksej Cvetkov

Über dem kahlen Feld träumt der Himmel
Бредит небо над голым полем
diese frauen die im fenster
эти женщины в окне
Nicht mehr's Gesicht, nicht mehr die …
Ни лица, ни голоса больше

Alina Mal'ceva

Europa
Европа

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Gegenwart II