geboren am 9. November 1885 in Tundutov
gestorben am 28. Juni 1922 in Santalovo bei Novgorod
Velimir (eigentlich Viktor Vladimirovič) Chlebnikov war neben den Burljuks,
Kručënychs und Vl. Majakovskij einer der Begründer des russischen Futurismus.
Um sich vom italienischen Futurismus abzugrenzen (und wohl auch von seinen
Mitstreitern), wählte er aber zuweilen die Bezeichnung Budetljane (Zukünftler).
Chlebnikov eilt der Ruf des bedingungslosen Sprachneuerers und Dichters
für Dichter voraus, der vom breiten Publikum nicht verstanden werden kann.
Dieser Einschätzung stehen aber auch viele Gedichte gegenüber, die
fast volkstümlich sind oder eine Freude am Sprachspiel vermitteln,
wie man sie vor allem bei Kindern findet. Auch die Bezeichnung »zaum« (sprich: sa-um)
für seine Dichtersprache ist hier doppeldeutig: idiomatisch bedeutet es einfach
nur Unsinn, es kann aber auch als hinter dem Verstand gelegen,
transmental verstanden werden.
Chlebnikovs Ästhetik kehrt tendenziell die Ästhetik des Symbolismus um,
bei dem die Erfahrung anderer Welten zu eigenständigen neuen Sprachkunstwerken
führte, indem er vom Experiment aus neue Gedanken- und Sinnzusammenhänge
entstehen lässt, die nicht unbedingt sinnlich fassbar sein müssen. Allerdings
zeigen gerade die Gedichte aus der Revolutionszeit und dem Bürgerkrieg
ausgesprochen politisch engagierte Tendenzen, die in diese Sprachmanier
integriert wurden, und ein Bekenntnis zu Freiheit und zum Beistand in
höchster Not beinhalten, die unmittelbar an die hohen Werte russischer
Dichter des 19. Jahrhunderts anknüpfen.
Chlebnikov war sowohl Meister ausgesprochen kurzer Formen als auch
des langen erzählerischen Gedichts. Sein literarischer Einfluss
auf die nachfolgenden Dichtergenerationen ist in seinem vollen Umfang
nicht abzuschätzen.
Eric Boerner
Wovon singst du, Vögelchen im Käfig?
Davon, wie man dich fing mit dem Netzchen?
Wie du dein Nestchen gewunden?
Wie dich der Käfig der Freundin entbunden?
Oder von dem Glück allein
Im lieben Nestchen, einstmal dein?
Oder wie du fingst die Fliegen,
Sie den Kindlein darzubieten?
Von deiner Freiheit, den Wäldern,
Von hohen Hügeln und Feldern,
Von grünenden Wiesen,
Von Bächlein, die fließen?
Du, Ärmster, bist's Leid, auf der Stange zu sitzen
Und aus dem Fenster zur Sonne zu blicken.
An sonnigen Tagen sieht man dich baden,
Willst uns mit deinem Liedchen laben,
Denkst an das, was einst gewesen,
Würdst dein Leid so gern vergessen,
Pickst die Körnerchen versiert,
Trinkst dein Wässerchen voll Gier.
6. April 1897
Ich erkannte: die Unbezeichenbarkeit des Erscheinlichen,
die Nichtüberflüssigkeit des Felderlichen,
die Nimmersattigkeit des Feuerlichen,
die Nichtverstreulichkeit des Wässerlichen,
die Unverwelklichkeit des Jungfräulichen. Ich erkannte.
1908
Die Wolkichtigen zogen und weinten
Über den hohen Fernen der Weiten.
Den Wolkichtigen Schatten enteilten
Über den traurigen Fernen der Weiten.
Die Wolkichtigen Schatten verstreuten
Über den traurigen Fernen der Weiten.
Die Wolkichtigen zogen und weinten
Über den hohen Fernen der Weiten.
März 1908
Ich werfe zu Zeiten der inneren Öde
Mich in die glänzende goldene Sonne.
Mein Flügeln mischt rauschend in lichter Höhe
Hiesigen Hohn mit heiliger Wonne.
Ich starb, ich starb, in reißendem Strome
Bedeckte die Rüstung mein blutiger Schrecken.
Manchmal dann, wenn ich erneut zu mir komme,
Mustert euch kritisch das Auge des Recken.
1907 – 1914
Und ich schallte gemein mit meiner Schalmei
Und holte die Welt in mein Hotel.
Mir gehorsam zogen Sterne im ruhigen Kreis.
Ich schallte gemein mit meiner Schalmei, zu erfüllen das Schicksal der Welt.
Anfang 1908
Großrussland vergaß die Gesöffe,
In ihnen war Ewigkeitswein,
Die Gefolgschaft, die erstliche, öffnet
Den Brief, der verhängnisvoll scheint.
Du lauschtest der Schar schweigeweilig,
Wie's Kind lauscht dem Großen, der motzt,
Und die schurkische Macht, die geheime,
Hat dich beobachtet trotz.
Anfang 1908
Dort, wo Seidenschwänze weilten,
Wo die stillen Tannen steilten,
Flogen fort, im Flug enteilten
Schwärme leichter Flatterzeit.
Wo sich stille Tannen bauschten,
Wo Singanten schreiberauschten,
Flogen fort, mit Flügeln rauschten
Schwärme leichter Flatterzeit.
Im Gewirre wilder Schattheit,
Wo wie Wust von Tagen alt,
Kreise zogen, Klänge kreißten
Schwärme leichter Flatterzeit.
Schwärme leichter Flatterzeit!
Du bist singendlich, lockpfeifig
Und berauschst die Seelen saitig,
Dringst ins Herz wie Wellen ein!
Auf, ihr klanglichten Singanten,
Rühmt die leichte Flatterzeit!
Anfang 1908
Aus dem Sacke
Streuten zu Boden die Sachen.
Und ich bedachte,
Dass die Welt –
Nur ein Lachen ist,
Das schwach erglänzt
Auf den Lippen eines Gehenkten.
1908
O, brecht in Lachen aus, ihr Lacher!
O, fangt zu lachen an, ihr Lacher!
Was Lachen lacht, das lachet lachend,
O, fangt zu lachen an, verlachend!
Für auslachende Anlacher ist Lach verlachend ein Lachmacher!
O, zerlache lachausbrechend die Lache ausgelachter Lachender!
Lachig, lachig,
Lach weg, lach aus, Lacherige, Lacherige,
Lachendige, Lachendige.
O, brecht in Lachen aus, ihr Lacher!
O, fangt zu lachen an, ihr Lacher!
1908 – 1909
O, dostoevskianisches Gelaufe der Wolken!
O, puschkinesisches Vergehen des Mittags!
Die Nacht beschaut sich, wie Tjutčev, grollend,
Das befriedende Maßlos des Ganzlichen.
1908 – 1909
О чем поешь ты, птичка в клетке?
О том ли, как попалась в сетку?
Как гнездышко ты вила?
Как тебя с подружкой клетка разлучила?
Или о счастии твоем
В милом гнездышке своем?
Или как мушек ты ловила
И их деткам носила?
О свободе ли, лесах,
О высоких ли холмах,
О лугах ли зеленых,
О полях ли просторных?
Скучно бедняжке на жердочке сидеть
И из оконца на солнце глядеть.
В солнечные дни ты купаешься,
Песней чудной заливаешься,
Старое вспоминаешь,
Свое горе забываешь,
Семечки клюешь,
Жадно водичку пьешь.
6 апреля 1897
Я ведал: ненарекаемость Возничего,
неизбытность Полевичего,
ненасытность Огневичего,
нерассыпность Водяничего,
пеувядаемость Девичьего. Я ведал.
1908
Облакини плыли и рыдали
Над высокими далями далей.
Облакини сени кидали
Над печальными далями далей.
Облакини сени роняли
Над печальными далями далей.
Облакини плыли и рыдали
Над высокими далями далей.
Март 1908
Когда себе я надоем,
Я брошусь в солнце золотое,
Крыло шумящее одем,
Порок смешаю и святое.
Я умер, я умер, и хлынула кровь
По латам широким потоком.
Очнулся я, иначе, вновь
Окинув вас воина оком.
1907 – 1914
И я свирел в свою
свирель,
И мир хотел свою хотель,
Мне послушные свивались звезды в плавный кружеток.
Я свирел в свою свирель, выполняя мира рок.
Начало 1908
Россия забыла напитки,
В них вечности было вино,
И в первом разобранном свитке
Восчла роковое письмо.
Ты свитку внимала немливо,
Как взрослым внимает дитя,
И подлая тайная сила
Тебя наблюдала хотя.
Начало 1908
Там, где жили свиристели,
Где качались тихо ели,
Пролетели, улетели
Стая легких времирей.
Где шумели тихо ели,
Где поюны крик пропели,
Пролетели, улетели
Стая легких времирей.
В беспорядке диком теней,
Где, как морок старых дней,
Закружились, зазвенели
Стая легких времирей.
Стая легких времирей!
Ты поюнна и вабна,
Душу ты пьянишь, как струны,
В сердце входишь, как волна!
Ну же, звонкие поюны,
Славу легких времирей!
Начало 1908
Из мешка
На пол рассыпались вещи.
И я думаю,
Что мир –
Только усмешка,
Что теплится
На устах повешенного.
1908
О, рассмейтесь, смехачи!
О, засмейтесь, смехачи!
Что смеются смехами, что смеянствуют смеяльно,
О, засмейтесь усмеяльно!
О рассмешищ надсмеяльных – смех усмейных смехачей!
О, иссмейся рассмеяльно смех надсмейных смеячей!
Смейво, смейво,
Усмей, осмей, смешики, смешики,
Смеюнчики, смеюнчики.
О, рассмейтесь, смехачи!
О, засмейтесь, смехачи!
1908 – 1909
О, достоевскиймо
бегущей тучи!
О, пушкиноты млеющего полдня!
Ночь смотрится, как Тютчев,
Безмерное замирным полня.
1908-1909