[Lord Byron]

George Gordon Lord Byron
(1788 – 1824)

An Florenz

                1.

Als, Dame, ich den Strand verließ,
        Den fernen Strand, der mich gebar,
Dacht' ich, kaum mehr mich tief betrübt,
        Dass ich vom Ort geh, wo ich war:


                2.

Doch auf der öden Insel hier,
        Wo keuchend 's Haupt des Lebens sank,
Wo du allein lächelnd verführst,
        Seh ich mein Scheiden voller Angst.


                3.

Getrennt von Albions Stränden weit
        Durch's tiefe, dunkelblaue Meer;
Könnt ich schon bald, gewiegt von Zeit,
        Die Kliffs sehn bei der Wiederkehr:


                4.

Was ich auch immer noch durchstreif,
        Bei Klimas Glut, auf bunter See,
Ob mir die Zeit die Heimat zeigt,
        Nie wird mein Aug dich wiedersehn:


                5.

Dich sehn, die allen Zauber fasst,
        Der lose Herzen selbst verführt,
Der'n Anblick nur schon Staunen lässt,
        Verzeih dies Wort: zu Liebe führt;


                6.

Verzeih dies Wort zu einer, die
        Kein andres Wort mehr ärgern könnt;
Doch da dein Herz mir nie mehr blüht,
        Glaub mir, bin dir nur eins, ein Freund.


                7.

Könnt ich, ganz kalt dich nur beschaund,
        Dir, lieber Flüchtling, wen'ger sein?
Könnt ich, was jedem Mensch betraut,
        Bedrängte Schönheit lassen allein?


                8.

Wer dächt', bestanden hat die Form
        Gefahrs zerstörerischen Weg,
Hat totgeschwingtem Sturm getrotzt,
        Konnt dem Tyrannenzorn entgehn?


                9.

Wenn ich erst, Frau, die Mauern seh,
        Wo einst Byzanz sich frei erhob
Und Stambuls Säulen östlich stehn
        Vom türkischen Tyrann durchtobt;


                10.

Könnt auf der Liste großen Ruhms
        Noch eine Stadt gerühmter sein;
Auf mich wird größre Wirkung tun
        Ein Platz, der deinen Ursprung zeigt:


                11.

Muss ich auch Abschiedsworte streun,
        Dein Wunderweichbild winkt mir zu –
Wo du bist, kann ich nicht gedeihn –
        Doch wo du warst, dort find ich Ruh.

1809


Verse, bei Malta in ein Album geschrieben

1

So, wie auf einem Grabstein kalt
        Manch Name den Passanten fängt,
Soll, wenn du dieses Blatt entfaltest,
        Dein Aug an meinem sinnend hängen!


2

Und wenn er sich dir dargeboten
        Zufällig erst in vielen Jahren,
Dann denk an mich, als wär ich tot,
        Als läg mein Herz hier aufgebahrt.

14. September 1809


Nach dem Schwimmen von Sestos
nach Abydos geschrieben

1

Als im Dezembermond, dem finstren,
      Des Nachts Leander war gewohnt
(Welch Maid würd sich des nicht erinnern?)
      Den Strom zu queren, den Hellespont!


2

Als er, wenn Winterstürme tollten,
      Zu Hero eilte, wild bereit,
Weil deine alten Säfte quollen,
      O Venus! Beide tun mir leid!


3

Mir selbst, degeneriertem Modegecken,
      Sei's auch im klugen Monat Mai,
Die nassen Glieder ich weit streckte
      Und denk, welch Großes ich geleistet!


4

Doch, weil den schnellen Strom er querte,
      Der zweifelnden Geschichte nach,
Zu frein – und – weiß der Herr, was ihn noch scherte,
      Wie ich für Ruhm, um Liebe schwamm;


5

Bleibt's, wer am Besten fuhr, nicht leicht zu sagen,
      Da, arme Sterbliche, euch Götter weiter plagen!
Er mühte sich umsonst, und bitter bleibt mein Toast:
      Denn er ertrank und ich hab Schüttelfrost.

9. Mai 1810


______________

Anmerkung

Am 3. Mai 1810, als die Salsette (Kapitän Bathurst) an den
Dardanellen lag, schwammen Leutnant Ekenhead, von jener
Fregatte, und der Autor dieser Reime vom europäischen zum
asiatischen Festland, wobei von Abydos nach Sestos die
korrektere Angabe wäre. Die gesamte Entfernung, von
unserem Startpunkt bis zur anderen Seite, inbegriffen
die Strecke, die wir von der Strömung abgetrieben wurden,
wurde von der Besatzung der Fregatte auf über vier
Englische Meilen angegeben, obwohl die eigentliche Breite
kaum eine beträgt. Die Geschwindigkeit der Strömung ist
dergestalt, dass kein Boot direkt hinüberrudern kann,
und es wurde ungefähr gemessen, ausgehend von der
Gesamtentfernung, die überwunden werden musste,
dass der eine eine Stunde und fünf, der andere eine Stunde
und zehn Minuten benötigte. Das Wasser war extrem kalt,
weil der Schnee in den Bergen geschmolzen war. Etwa drei
Wochen vorher, im April, hatten wir schon einen Versuch
unternommen; aber weil wir am selben Morgen den gesamten
Weg von Troja geritten waren, und das Wasser von eisiger
Kälte war, fanden wir es angebracht, die Vollendung der
Angelegenheit bis zu der Zeit zu verschieben, wenn die
Fregatte unter der Festung ankern würde, wenn wir die
Passage in der bereits erwähnten Weise schwimmen könnten
und wenn wir einen angemessenen Weg von der Europäischen
Feste gefunden haben würden, um unter der Asiatischen
zu landen. Chevalier sagt, dass ein junger Jude
dieselbe Strecke für seine Frau geschwommen wäre; und
Olivier erwähnt, dass es einem Neapolitaner gelungen sei;
doch unser Konsul, Tarragona, konnte sich an keine dieser
Unternehmungen erinnern und wollte uns von diesem Versuch
abhalten. Einige Crewmitglieder von der Salsette sind
bekannt dafür, größere Strecken überwunden zu haben;
und die einzige Sache, die mich überraschte, war, obwohl
Zweifel an der Wahrheit von Leanders Geschichte bestand,
dass noch kein Reisender es gewagt hatte, die Möglichkeit
ihres Geschehens zu überprüfen.


In Schönheit sie wandelt

I.

In Schönheit sie wandelt, wie diese Nacht
      Wolkenloser Gefilde und sternklarer Himmel;
Was Dunkles und Helles das Schöne erbracht,
      Spielt in ihren Augen und in ihrer Miene:
Es reift dann zu jenem Licht, so zart,
      Das frohem Tag nicht gönnt der Himmel.


II.

Ein Schatten zu viel, ein erloschener Strahl,
      Hätt ihre unsagbare Anmut vermindert,
Die mit den Rabenlocken wallt,
      Die sanft auf ihrem Antlitz schimmert;
Wo der Gedanken süßer Schall
      Erzählt, wie rein ihr Ursprung flimmert.


III.

Und auf dieser Wange, und über der Stirn
      So weich, so still, doch nie versiegend,
Ein Siegerlächeln, Farbenglühn,
      Das von Tagen spricht, so voller Güte,
Ein Geist, im Einklang mit allem hier,
      Ein Herz, so unschuldig, voll Liebe!

12. Juni 1814


»Alles ist eitel, spricht der Prediger«

I.

Ruhm, Weisheit, Liebe und Macht waren mein,
      Gesundheit und Jugend besaßen mich;
Mein Kelch wurde rot von jeglichem Wein,
      Und zarte Rundungen streichelten mich;
In den Augen der Schönheit sonnt' ich mein Herz,
      Und fühlte: die Seele wird weicher:
Der Sterblichen Preis, alles irdische Erz
      War mein majestätischer Reichtum.


II.

Ich such die Tage abzuzähln,
      Die die Erinnrung wiederbringt,
Ob's Erdenleben sie erhelln,
      Das mich zum Weiterleben zwingt.
Kein Tag ging auf, kein Stündlein floh
      Von ungetrübten Freuden;
Und keine Falle fing mich noch,
      Die nicht durch Schmerz geläutert.


III.

Die Schlange auf dem Feld bezwingt
      Die Kunst, geschickt zu schaden:
Doch jenes, was um's Herz sich schlingt,
      Wer wollt' mit Zauberkünsten hadern?
Die Wissenschaft wird's nie verstehn,
      Noch lockt's hervor ein Musikus;
Und doch sticht es auf ewig den,
      Des Seele es ertragen muss.

(1815)


Lebwohl! Wenn je ein Bitten zart

1

Lebwohl! Wenn je ein Bitten zart
      Für's Menschenlos Gotts Ohr erreicht,
Ging meins nicht ganz umsonst auf Fahrt
      Und trägt zum Himmel, wie du heißt.
Umsonst hab ich's geweint, geseufzt:
      Ja, mehr als blutge Tränen wohl,
Die's schuldbewusste Auge heult,
      Steckt in dem Wort – Lebwohl! –Lebwohl!


2

Der Mund bleibt stumm, kein Auge weint;
      Jedoch – in Brust und Hirn voll Weh
Erwacht der Stich, der nie verheilt,
      Das Denken, das nie schlafen geht.
Nicht wagt die Seele ein Beschwern,
      Doch Schmerz und Lust rebellisch grolln:
Ich weiß nur, unsre Lieb war leer –
      Ich fühle nur – Lebwohl! – Lebwohl!

(1814)


Als wir uns trennten

1

Als wir uns trennten
    Ganz still unter Tränen,
Mit knacksenden Herzen
    Auf Jahre zu währen,
Ganz bleich deine Wange,
    Kalt, kälter dein Kuss;
Die Stunde schon kannte's,
    Hat's Leid schon gewusst.


2

Der Tau jenes Morgens
    Fiel kühl auf die Stirn –
Er warnte vor Sorgen,
    Die ich nun fühl hier.
Dein Schwören – gebrochen,
    Nur Schein war dein Ruhm,
Wird von dir gesprochen,
    So schäm ich mich nun.


3

Nennt man deinen Namen,
    Dann klingelt mein Ohr;
Ein Zittern und Bangen,
    Warst lieb doch zuvor!
Wie gut wir uns kannten,
    Kein Mensch es erriet,
Reun wirst du mich lange,
    Zu sagen zu tief.


4

Weil heimlich die Treffen –
    Ganz stumm bleibt mein Leid,
Dein Herz war vergesslich,
    Es täuschte dein Geist.
Sollt ich dir begegnen
    Nach Jahren des Sehnens,
Wie soll ich dich grüßen? –
    Ganz still unter Tränen.

(1816)


To Florence

                1.

Oh Lady! when I left the shore,
        The distant shore which gave me birth,
I hardly thought to grieve once more,
        To quit another spot on earth:


                2.

Yet here, amidst this barren isle,
        Where panting Nature droops the head,
Where only thou art seen to smile,
        I view my parting hour with dread.


                3.

Though far from Albin's craggy shore,
        Divided by the dark-blue main;
A few, brief, rolling seasons o'er,
        Perchance I view her cliffs again:


                4.

But wheresoe'er I now may roam,
        Through scorching clime, and varied sea,
Though Time restore me to my home,
        I ne'er shall bend mine eyes on thee:


                5.

On thee, in whom at once conspire
        All charms which heedless hearts can move,
Whom but to see is to admire,
        And, oh! forgive the word – to love.


                6.

Forgive the word, in one who ne'er
        With such a word can more offend;
And since thy heart I cannot share,
        Believe me, what I am, thy friend.


                7.

And who so cold as look on thee,
        Thou lovely wand'rer, and be less?
Nor be, what man should ever be,
        The friend of Beauty in distress?


                8.

Ah! who would think that form had past
        Through Danger's most destructive path,
Had braved the death-winged tempest's blast,
        And 'scaped a Tyrant's fiercer wrath?


                9.

Lady! when I shall view the walls
        Where free Byzantium once arose,
And Stamboul's Oriental halls
        The Turkish tyrants now enclose;


                10.


Though mightiest in the lists of fame,
        That glorious city still shall be;
On me 'twill hold a dearer claim,
        As spot of thy nativity:


                11.

And though I bid thee now farewell,
        When I behold that wondrous scene –
Since where thou art I may not dwell –
        'Twill soothe to be where thou hast been.

1809


Lines Written in an Album, at Malta

1

As o'er the cold sepulchral stone
        Some name arrests the passer-by;
Thus, when thou view'st this page alone,
        May mine attract thy pensive eye!


2

And when by thee that name is read,
        Perchance in some succeeding year,
Reflect on me as on the dead,
        And think my Heart is buried here.

September 14, 1809


Written After Swimming
from Sestos to Abydos

1

If, in the month of dark December,
      Leander, who was nightly wont
(What maid will not the tale remember?)
      To cross thy stream, broad Hellespont!


2

If, when the wintry tempest roared,
      He sped to Hero, nothing loth,
And thus of old thy current poured,
      Fair Venus! how I pity both!


3

For me, degenerate modern wretch,
      Though in the genial month of May,
My dripping limbs I faintly stretch,
      And think I've done a feat to-day.


4

But since he crossed the rapid tide,
      According to the doubtful story,
To woo, – and – Lord knows what beside,
      And swam for Love, as I for Glory;


5

'Twere hard to say who fared the best:
      Sad mortals! thus the Gods still plague you!
He lost his labour, I my jest:
      For he was drowned, and I've the ague.

Mai 9, 1810


______________

Note

On the 3rd of May, 1810, while the Salsette (Captain Bathurst)
was lying in the Dardanelles, Lieutenant Ekenhead, of that
frigate, and the writer of these rhymes, swam from the
European shore to the Asiatic – by the by, from Abydos
to Sestos would have been more correct. The whole distance,
from the place whence we started to our landing on the
other side, including the length we were carried by the
current, was computed by those on board the frigate at
upwards of four English miles, though the actual breadth
is barely one. The rapidity of the current is such that
no boat can row directly across, and it may, in some
measure, be estimated from the circumstance of the whole
distance being accomplished by one of the parties in an
hour and five, and by the other in an hour and ten minutes.
The water was extremely cold, from the melting of the
mountain snows. About three weeks before, in April,
we had made an attempt; but having ridden all the way
from the Troad the same morning, and the water being
of an icy chillness, we found it necessary to postpone
the completion till the frigate anchored below the castles,
when we swam the straits as just stated, entering a
considerable way above the European, and landing below
the Asiatic, fort. Chevalier says that a young Jew swam
the same distance for his mistress; and Olivier mentions
its having been done by a Neapolitan; but our consul,
Tarragona, remembered neither of these circumstances,
and tried to dissuade us from the attempt. A number of
the Salsette's crew were known to have accomplished
a greater distance; and the only thing that surprised me
was that, as doubts had been entertained of the truth
of Leander's story, no traveller had ever endeavoured
to ascertain its practicability.


She Walks in Beauty

I.

She walks in Beauty, like the night
      Of cloudless climes and starry skies;
And all that's best of dark and bright
      Meet in her aspect and her eyes:
Thus mellowed to that tender light
      Which Heaven to gaudy day denies.


II.

One shade the more, one ray the less,
      Had half impaired the nameless grace
Which waves in every raven tress,
      Or softly lightens o'er her face;
Where thoughts serenely sweet express,
      How pure, how dear their dwelling-place.


III.

And on that cheek, and o'er that brow,
      So soft, so calm, yet eloquent,
The smiles that win, the tints that glow,
      But tell of days in goodness spent,
A mind at peace with all below,
      A heart whose love is innocent!

June 12, 1814


»All Is Vanity, Saith the Preacher«

I.

Fame, Wisdom, Love, and Power were mine,
      And Health and Youth possessed me;
My goblets blushed from every vine,
      And lovely forms caressed me;
I sunned my heart in Beauty's eyes,
      And felt my soul grow tender;
All Earth can give, or mortal prize,
      Was mine of regal splendour.


II.

I strive to number o'er what days
      Remembrance can discover,
Which all that Life or Earth displays
      Would lure me to live over.
There rose no day, there rolled no hour
      Of pleasure unembittered;
And not a trapping decked my Power
      That galled not while it glittered.


III.

The serpent of the field, by art
      And spells, is won from harming;
But that which coils around the heart,
      Oh! who hath power of charming?
It will not list to Wisdom's lore,
      Nor Music's voice can lure it;
But there it stings for evermore
      The soul that must endure it.

(1815)


Farewell! If Ever Fondest Prayer

1

Farewell! if ever fondest prayer
      For other's weal availed on high,
Mine will not all be lost in air,
      But waft thy name beyond the sky.
'Twere vain to speak – to weep – to sigh:
      Oh! more than tears of blood can tell,
When wrung from Guilt's expiring eye,
      Are in that word – Farewell! – Farewell!


2

These lips are mute, these eyes are dry;
      But in my breast and in my brain,
Awake the pangs that pass not by,
      The thought that ne'er shall sleep again.
My soul nor deigns nor dares complain,
      Though Grief and Passion there rebel:
I only know we loved in vain –
      I only feel – Farewell! – Farewell!

(1814)


When We Two Parted

1

When we two parted
    In silence and tears,
Half broken-hearted
    To sever for years,
Pale grew thy cheek and cold,
    Colder thy kiss;
Truly that hour foretold
    Sorrow to this.


2

The dew of the morning
    Sunk chill on my brow –
It felt like the warning
    Of what I feel now.
Thy vows are all broken,
    And light is thy fame:
I hear thy name spoken,
    And share in its shame.


3

They name thee before me,
    A knell to mine ear;
A shudder comes o'er me –
    Why wert thou so dear?
They know not I knew thee,
    Who knew thee too well: –
Long, long shall I rue thee,
    Too deeply to tell.


4

In secret we met –
    In silence I grieve,
That thy heart could forget,
    Thy spirit deceive.
If I should meet thee
    After long years,
How should I greet thee? –
    With silence and tears.

(1816)


<<Illeguan

An Florenz
To Florence
 
Verse, bei Malta in ein Album …
Lines Written in an Album, at Malta
 
Nach dem Schwimmen von Sestos …
Written After Swimming from …
 
In Schönheit sie wandelt
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»Alles ist eitel, spricht der Prediger«
»All Is Vanity, Saith the Preacher.«
 
Lebwohl! Wenn je ein Bitten zart
Farewell! If Ever Fondest Prayer
 
Als wir uns trennten
When We Two Parted

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