Nerbeev: Kein Ausweg

Rjurik Nerbeev (*1969):
Kein Ausweg (1997)

Das Ende

Wenn das Ende angekündigt ist,
Wird's einer Raucherpause ähneln.
Der eine raucht noch eine, der andere geht zur Kantinentür und schreibt:
»Von jetzt an wird's kein Rindfleisch mehr geben,
Auch mit dem Hühnerfleisch ist's aus.
Einzig das Wort noch verbleibt!«
Ich rauche nicht, mag auch nicht schreiben, ich komme zuletzt noch zu dir nach Haus.
Wir betrachten einander auf der Schwelle und schicken die Nachbarn hinaus.
Ich weiß, wenn die Mondsichel den Himmel in Stücke zerspaltet,
Lässt sich die Welt noch auf vier Schultern halten.


* * *

mein schmerz wurde acht jahre vor mir geboren
in einem kleinen städtchen unter einem anderen kleinen städtchen;
wie ging es ihm dort, als ich noch nicht war, lief er barfuß,
wuchs er auf, sammelte er kräfte?
wer passte auf ihn auf, nahm ihn in die arme, nahm ihn mitleidig mit ins bett,
damit er sich aufwärmen konnte, zu plappern und zu plaudern lernte,
damit seine zitternden feuchten worte zu fleisch wurden
zu heißen körpern, kalten körpern, unbekannten körpern?
mein schmerz wuchs heran, nahm mich in die arme, sagte: tanze, tanze,
ich bin hier bei dir, – und legte die handfläche unter mein herz und fand meine brust schön.
wieso das, sage ich, dort wächst mein glück, bald wird es erscheinen, –
und glaube es selber nicht, weine, verberge mein gesicht,
mama, sage ich, mein glück schreit, es möchte wohl trinken;
mein schmerz schließt die augen, schweigt – er möchte wohl schlafen.
jetzt blasen strohige luftzüge durch mein herz, doch wie könnte ich
eine riesige stadt inmitten eines kleinen städtchens sein?
lass uns gehen, sagt mein schmerz, du warst bei der mutter, jetzt besuchen wir den vater,
fragen ihn um rat, soll er letzten endes sagen,
wie es meiner rechten hand ohne deiner linken brust ergehen soll
in einer riesigen stadt Kleinem Städtchen?


* * *

Magdalena Manon – eine französin – ist hier gestorben.
sie war eine furchtbare schlampe, weil niemand sie mochte,
doch sie liebte alle, sogar zum halben preis;
von sich sprach sie immer im plural:
das, sagte sie, sind wir; doch dies, sagte sie, sind wir nicht.

es heißt, dass sie früher viele worte kannte:
»Das kleine enzyklopädische« von »a« bis »du«.
doch dann passierte etwas mit ihr – hatte was im hals, störte beim atmen,
sie hustete einen ganzen Monat lang, konnte nicht schlafen,
wollte nichts essen, nur trinken.

in der nacht kam er zu ihr,
und alle sahen, wie sie ihm den schwanz küsste,
wir, sagte sie, wir, –
dann wurde klar, dass sie von sich sprach,
doch damals konnte das keiner begreifen – man dachte, das geht vorbei.

danach saß sie im dunkeln im zimmer herum,
dann sprang sie auf, nahm nadel und faden,
biss zeilen von alten gedichten ab,
nähte händchen und füßchen daran,
wir, sagte sie, nahm in die hände, hustete, hustete … –
naja, soviel von ihr, ich sag ja, sie war eine furchtbare schlampe.


* * *

verlass mich nicht, der mir die sommerhälfte amputierte,
den halben mai abschnitt, den winter mit frösten verbrannte;
der mit den schmalen bändern der sms den september verband,
mich täglich mit kapseln von emails ernährte.

lass mich nicht auf deinen verflossenen wässern hinfahren –
als rosige plazenta, hilflos, gehäutet,
von außen nach innen gewendet, mit erlittenen worten erfüllt,
einstmals waren sie äußerlich und vertauschten die haut.

ich bin es, verstehst du, die im rückwärtsgang läuft:
presse die Replay-Taste, august zweitausenddrei
Anno Domini, um die binsen ersterben die wellen,
ich bin verbrannt, irgendwer drückte seine zigarette auf mir aus.

alle diese armseligen monatskrümel, zahlen, daten,
zeitverschiebungen, tage, plätze, nullen und einsen;
wenn es möglich wäre endlich abzuschließen, dann, wenn es
geht, schließe nicht ab, und ich werde mich
erinnern, schlaflos, an den zug von da nach dort,
an deine handfläche auf meiner schläfe direkt am haaransatz,
wie ich die ganze nacht dalag, dich umarmend,
denkend, dass ich sterben müsste, wenn ich mich unvorsichtig umdrehe.


* * *

ich möchte sehen, wie du erwachst.
sagen wir mal, auf der sonnenseite,
also – nicht vom kindergeschrei auf der straße und auch nicht vom rappeln der straßenbahn,
sondern vom licht.
seltsam, aber ich kenne dein zimmer überhaupt nicht;
ich würde darin auch garnichts entdecken
sogar mit geöffneten augen.
deshalb bist du vom lichtschein der welt ganz umschlossen,
du bist überhaupt ganz völlig am leuchten,
unklar, wie du da schlafen kannst,
die augen schließen.
du stehst auf und drehst deinen kopf umher,
durchmusterst das zimmer von rechts nach links,
und denkst wahrscheinlich: jeder hat sein licht der welt,
deshalb möchte ich sehen, wie du erwachst,
ich möchte so sehen wie du.


* * *

tack-tack-tack, spricht das streichhölzchen,
wenn es auf den boden hüpft,
irgendwie so hier, spricht ein anderes,
und nach ihm ein drittes: hier so-so,
ein viertes: so-so wohl,
sssssssssssss
schschschschschschsch, –
die ganze schachtel gerät unter die füße,
als letztes sprang die froschkönigin heraus,
die kleine quakerin.
tack-tack-tack, hm, schon entzünde ich die streichhölzchen,
schaue mit dem meißel aus dem fenster,
mit goldenem züngelein ruf ich die verslein hervor:
was soll denn das sein? –
er sitzt inmitten der nacht, bewegst ihn nicht,
knackt und frisst mitlaute, knirscht mit den zähnen:
wie hast du das gemacht?
wie hast du das gemacht?
solch eine wie du.


* * *

lass uns bitte nicht schweigen
niemals-niemals
den mund schließen
die augen öffnen
und so werden wir mit solchem kaspergesicht
dem zweiten gesicht auf dem ersten gesicht
uns durch und durch küssen
nicht voneinander getrennt bleiben
ja und das dieses im zeitenlauf vor und zurück
lass uns nicht schweigen nein bitte kein stück
die augen die öffnen sich sowieso nicht
wenn eine zunge den mund dir erfüllt

und besonders die höhle diese höhle des tags
verlass mich nicht in mir dass du es nicht wagst
füll aus wie ein tagebuch zelle für zelle
durchkrabbele alle die schmalen felder
mit der zunge die deine erde ist
und die meine erde sei


Конец

Когда объявят конец,
Это будет как перекур.
Кто закурит, кто пойдёт напишет на двери столовой:
«Нет и не будет мяса коров,
Нет и не будет мяса кур,
Останется только Слово».
Я не курю и писать не люблю, я зайду к тебе напоследок.
Мы посмотрим с порога друг на друга и попросим выйти соседок.
Я знаю, когда на части небо лунным серпом порежется,
На четырёх плечах мир всё равно удержится.


* * *

боль моя родилась на восемь лет раньше меня
в маленьком городке под другим маленьким городком;
как она там была, пока меня не было, бегала босиком,
росла, набиралась сил?
кто смотрел на неё, брал на руки, из жалости клал с собою в постель,
чтобы она отогрелась и начала говорить-говорить,
чтобы её слова дрожащие, мокрые обретали плоть
горячих тел, холодных тел, незнакомых тел?
боль моя выросла, взяла меня на руки, сказала: танцуй, танцуй,
я у тебя вот здесь, – и ладонь положила под сердце, мол, красивая грудь.
как это, говорю, там у меня растёт моё счастье, скоро ему выходить, –
а сама не верю, плачу, прячу лицо,
мамочка, говорю, моё счастье кричит, наверное, хочет пить;
боль моя закрывает глаза, замолкает – наверное, хочет спать.
здесь соломенные сквозняки сквозь сердце, ну как мне быть
огромным городом посреди маленького городка?
пойдём, говорит моя боль, ты была у матери, теперь навестим отца,
попросим у него совета, пусть он скажет, в конце концов,
как быть без твоей левой груди моей правой руке
в огромном городе Маленьком Городке?

* * *

Магдалена Манон – француженка – здесь умерла.
она была страшной блядью, потому что её никто не любил,
а она всех любила, всего-то за полцены;
про себя говорила «мы»:
это, говорила, мы; а это, говорила, не мы.

говорят, она раньше знала множество слов:
«Малый энциклопедический» от «а» до «ты».
а потом с ней кто-то случился – застрял в горле, мешать дышать,
она месяц потом кашляла, не могла спать,
не хотела есть, только пила.

он у неё оказывался по ночам,
и все видели, как она ему целовала член,
мы, говорила, мы, –
потом стало ясно, что это она о себе,
но тогда никто ничего не понял – думали, может, пройдёт.

после она сидела в комнате в темноте,
потом вскакивала, хватала иголку, нитку,
откусывала старым стихам строчки,
пришивала им ручки, ножки,
мы, говорила, брала на руки, кашляла, кашляла… –
да ну, что про неё, говорю же, блядь была страшная.


* * *

не оставляй меня, кто ампутировал мне половину лета,
вырезал половину мая, прижёг заморозкой зиму;
забинтовал сентябрь узкими лентами смс-ок,
кормил ежедневно капсулами электронных писем.

не отпускай меня вниз по твоим отошедшим водам –
розовую плаценту, беспомощную, без кожи,
всю наизнанку, набитую вымученными словами,
некогда они были снаружи и заменяли кожу.

это я, понимаешь, перематываю обратно:
маечка Replay, две тысячи третий август
Лета Господня, вокруг чередой умирают волны,
я сгорела, кто-то неважный обжёг меня сигаретой.

все эти мелкие дребезги месяца, числа, даты,
смена времени, суток, места, ноль-единица;
если бы можно, наконец, прекратиться, если
можно, не прекращайся, и я не буду
помнить, не засыпая, поезд туда-оттуда,
ладонь твою на виске под самыми волосами,
как я пролежала целую ночь, тебя обнимая,
думала, что умру, повернувшись неосторожно.


* * *

я хочу видеть, как ты просыпаешься.
скажем, на солнечной стороне,
поэтому – не от детских криков на улице и не от скрежета трамвая,
а от света.
странно, я совсем не знаю твою комнату;
я бы ничего не нашла в ней
даже с открытыми глазами.
поэтому ты весь окружён светом,
ты вообще весь светишься;
непонятно, как ты можешь спать,
закрывать глаза.
ты встаёшь, поворачиваешь голову,
пропускаешь комнату справа налево,
наверное, думаешь: у каждого свой свет.
у каждого свой свет,
поэтому я хочу видеть, как ты просыпаешься.
я хочу видеть, как ты.

* * *

так-так-так, говорит спичка,
подпрыгивая на полу,
как-то так вот, говорит другая,
а за ней третья: вот то-то,
четвёртая: то-то же,
сссссссссссссс,
шшшшшшшш, –
всем коробком себе под ноги,
последней выпрыгнула царевна-лягушка,
маленькая квакерша.
так-так-так, мол, вот уже и спички роняю,
гляжу в окно долотом,
золотым язычком вызваниваю стишочки:
что же это такое? –
сидит посереди ночи, не сдвинешь,
согласные лузгает, зубами лязгает:
как ты это сделал?
как ты это сделал?
такой как ты.

* * *

давай пожалуйста не молчать
никогда-никогда
не закрывать рот
не открывать глаза
так и будем с дурацким таким лицом
второму лицу о первом лице
целоваться через и сквозь
не оставаться врозь
ну и что что время вперёд и вспять
давай пожалуйста не молчать
всё равно не открывать глаза
языком заполняя рот

и особенно полость которая полость дня
никогда не оставь во мне не оставь меня
как дневник по клеточкам заполняй
залезая за узенькие поля
языком который твоя земля
и который моя земля


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Anastasia Trubačëva (* 1978)

Das Ende
Конец

Julija Idlis (* 1981)

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Babylon – Teil VI