Svetlana Naumovna Bunina

Светлана Наумовна Бунина

geboren 1974 in Charkov, Ukraine

Die in der Ukraine geborene Lyrikerin und Philologin, die hauptsächlich Gedichte auf Russisch verfasst, und auch in Moskau lebt und arbeitet, verbindet in idealer Weise den intellektuellen Geist einer Anna Achmatova mit der Emotionalität und ästhetischen Innovationskraft einer Marina Zwetajewa. Typisch für eine Dichterin ihrer Generation ist das Anknüpfen an die während der Sowjetzeit unterdrückte Lyrik der ersten Moderne, die als Basis für zukunftsweisendes Suchen nach neuen Ausdrucksformen genutzt wird. Svetlana Bunina ist darüber hinaus einer der besten Kenner zeitgenössischer Literatur, die sie auch in philologischen Studien als Professorin an der Moskauer Universität begleitet. In ihrer Verbindung aus Emotionalität und Intellekt sucht diese Dichterin in der heutigen Zeit ihresgleichen.

Eric Boerner

* * *

In der versammelten Zukunft, wo's auch keinen Platz gibt
          Für mich,
Wo die örtlichen Unsichtbaren herumspaziern
Und sorgfältig ihnen der Weg geebnet wurde, –
Verbirgst du dich nicht. Sie erhoben sich dort,
Höchst gleichgestellt mit Säulen. Nirgendwo sind Körper
Verkörperter als bei Säulen. Wohin wohl führt
Der ungezwungene Anlass, der Fußweg?
Welch einen Spiegel hält dir vor
Die kaum noch belebende Hand?
Rückt näher schon der Stern?
          Gelangst
Wohl dann dort an,
Wo's leichter nicht gibt.


* * *

                    für S., einen Verflossenen

Was wir vollführten im Sprechen, war angemessen dem Treffen:
Die Vorahnung schwante als Wanderpokal.
Der Versumbruch schoss Neues, verwandt den Kartetschen
(Kaum dass wir uns sahn, durchfuhr uns der Schuss Knall auf Fall).
Lebendig im Sterben. Wir trugen es über die Grenze.
Und ahnten voraus: dem Körper die Seele gehört.
Ich seh's mit deinen Augen, die doppelt sinnig glänzen,
Wohin im Flug weiß Atmung längst nicht mehr.


* * *

Das Halbbewusstsein verlassend, beginnst du zu sein,
Jeglichem Eisbrecher schwimmst du entgegen.
Es klärt der Zusammenstoß: es gleicht dein Bein
Der Säule, die Schulter ist balustrad-ähnlich.
Von Neuem verwundert: auch dieses geschafft,
Auch solches durchlitten, sich anders gehäutet.
Als mäß man um Haaresbreite die Kraft
Mit einem Samson … Gewicht nichts bedeutet!
Bewusstsein ist wolkig von langsamer Stärke,
Der Tage Urabriss fügt Hall noch hinzu –
Das Schwimmen im Alltagskrieg heischt große Werke, –
All das, was ihn nährt, ist die Nacktheit der Luft.


* * *

Das Knospen der Bäume auf jener Ozeanseite.
Die tropfenden Hähne, es riecht nach Kartoffeln und Waschen.
Du erkennst, in den Sofabezug nur ganz klein dich die Zeiten
Hineingestickt haben; und dir nur ein Löchlein gelassen

Anstatt einer Handschrift. Dein Böses wird zeitlich nicht reichen,
Mehr Schämen – verurteiln dich streng die Genossen und Erben.
Du erkennst, wie tief und genau die Belastung dich eichte
An jedem Morgen zu sterben, auch abends – zu sterben.

In diesem Jahrhundert, (ob Gott die Verwandlungen merkte?)
Wollten wir Schauspieler sein, die im Hinterstgrund bleiben.
Du erkennst, sehr bedauerlich scheint der Versuchungen Stärkste –
Das Knospen der Bäume auf jener Ozeanseite.


* * *

Inmitten der Dielen, der Tücher – im Schwall
Arglistiger Wellen, die Lethe erfüllen,
Steh ich, den Worten und Dingen zu Willen,
Bis Neues sich verst und Neues sich ballt.
Es kommen ins Schwimmen, die's Leben gewählt,
Und die Wirren des Raums zerhaun sie mit Ecken.
Ihr Gott ist in dem, was er wirkt, zu entdecken,
Und die Welt hat zu tun, und hat ihrerseits recht.
Sei die Fülle der Nischen, sei der Wohnknast ihr Fall,
Solln sie einfach und brav sich um mich nicht bekümmern,
Weil ich kurz hier verweil, auf dem Platz, dem bestimmten,
Inmitten der Dielen, der Tücher – im Schwall …


Treue

So hätt ich's einfach nicht genannt.
Es kratzt die Gurgel unversehns
Der Schluck, den himmelblau man nahm:
's ist Zeit, sich's Mündchen zuzunähn,
Für Hornhaut auf dem Tagesgrund,
Zu grämen sich um's Eine Leid.
Die Stimme kennt nur Fallen, und
Das Herz sieht nur noch Dunkelheit.


Das dreißigste Jahr

     Die Stadt Toržok wurde dreißig Mal vernichtet.
                             Aus einem Reiseführer

Du hälst in den Händen dasselbe Ding,
das, nachdem es ans Stirnbein gepresst,
ein Menschlein der Stadt ist, ein schwarzer Fink,
den im Rasen der Fremde man liegen lässt,
und denkst, der Tuberkel oder's Geschwür
erschreckten dich früher, doch das ist vorbei,
doch sie, die im Ernst dich verführt und berührt,
die Stimme, sie macht dich heiß,
heiß ist dir, Mädelchen, hier in Toržok,
dass du ganz selbsttätig schlägst lang hin,
das Leid aller Welt tragend, das du verbockt.
Du unschädlich durch deinen Türspion linst …


* * *

Mit dem unübersehbaren Geschlechterunterschied
(du bittest um Freundschaft – du bittest vergebens)
so umgehend,
dass du mich leben lehrst
bis in die Zahlen, die unendlichen,
bis in die Ewigkeitsländer.
Genau. So lautet dein Beschluss.
Einmal im dreifachen Regen
stöhnen die Fenster, quellen die Rahmen
und wir sind verwundet. Muscheln des Ra.
Du bist meine Freude, mürrischer Morgen!
In die Pflanzen, wie die Märtyrer beim Martyrium,
verlässt uns der Körper. Nicht eine Seele.
Und die Schwäche ist fern
Und wortkarg geworden. Man will nichts mehr
sagen – man will nur erregen.

Ich werde in Ewigkeit leben.
Mein Sterben bist du, mein Frohlocken.



* * *

В соборном будущем, где места нет
          И мне,
Где местные невидимые ходят
И метко им направлена тропа, –
Не спрячешься. И там бы наравне
Столпами встали. Тело у столпа
Телесней некуда. Куда ведёт
Непринуждённый повод-пешеход?
Какие отраженья вызывает
Едва животворящая рука?
И клонится звезда?
Наверняка
          Туда,
Где легче не бывает.


* * *

                    С., из прошлого

То, что мы сделали в речи, достойно встречи:
Предвосхищение – переходящий вымпел.
Вёрстка, где новые строки сродни картечи
(Только увиделись – и раздается выстрел).
Живы, как умерли. Перенесли границу.
Предугадали, что дело имеет тело.
Вижу твоими глазами, и смысл двоится,
И забывает дыханье, куда летело.


* * *

Оставшись сквозным сознанием, начинаешь быть,
Каждому ледоходу плывешь навстречу.
Столкновения убеждают: почти столбы
Ноги твои, балюстрада – плечи.
Заново удивляясь: и это снес,
Это перетерпел, оживил иначе,
Будто перетягался длиной волос
С неким Самсоном… Вес ничего не значит!
Сознание – только облако медленной толщины,
К изначальному абрису дни прибавляют отзвук –
Плывущее величаво среди бытовой войны, –
И всё, чем оно питается, голый воздух.


* * *

Почки деревьев на той стороне океана.
Капли из крана, картофелем пахнет и стиркой.
Видишь, как мелко на старой обивке дивана
Вышило время тебя. И оставило дырку

Вместо автографа. Зла не хватает на время,
Также стыда не хватает – строги домочадцы.
Видишь, как метко к тебе припечатано бремя
Каждое утро кончаться, и вечер – кончаться.

В это столетье (что Господу до превращений!)
Мы записались в актеры последнего плана.
Видишь, как жалко сильнейшее из искушений
Почки деревьев на той стороне океана.

* * *

Среди половиц, полотенец – мазков
Злокозненных волн, наполняющих Лету,
Стою, сохраняю слова и предметы
Для новых стечений и новых стихов.
Хотящие жить выбираются вплавь
И смуту пространств разбивают углами.
И Бог их известен своими делами,
И мир деловит и по-своему прав.
В застроенных нишах, в плену потолков
Да будет им слаще и проще от вести,
Что я остаюсь на положенном месте –
Среди половиц, полотенец, мазков…


Верность

Просто не назвала бы так.
Набранный голубой глоток
Сразу царапает горло: знак
Чтобы зашить роток,
И роговеть в основанье дням,
И горевать об Одной беде.
Голосу не хватает ям,
Сердцу – темно везде.


Тридцатилетие

     Город Торжок уничтожали тридцать раз.
                          Из путеводителя

Ты держишь тот же предмет в руках,
который, прижав его к голове,
человечек в городе, чёрный птах,
назначен лежать на чужой траве,
и думаешь, язвы, туберкулёз,
раньше пугалась, но всё прошло,
это, занявшись тобой всерьёз,
голос, тебе тепло,
тепло ли, девица, во Торжке,
что ли сама упадёшь ничком,
общее боли нося в руке.
Невредим за дверным глазком…

* * *

С неоспоримой разницей полов
(захочешь дружбы – дружбы не получишь)
так обойдясь,
ты учишь жить меня
до чисел отстраненных,
стран-веков.
Что ж. Твой затвор таков.
Раз в три дождя
стенают окна, рамы набухают,
мы раненые. Раковины Ра.
Моя ты радость, пасмурное утро!
В растения, как мученик в расход,
выходит тело. Ни души.
И Немощь далека
и односложна. Нехотя сказать
о чем-нибудь – желанье потревожить.

Я буду вечно жить.
Мне умиранье в радость.


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In der versammelten Zukunft, wo's auch …
В соборном будущем, где места нет
 
Was wir vollführten im Sprechen, war …
То, что мы сделали в речи, …
 
Das Halbbewusstsein verlassend, …
Оставшись сквозным …
 
Das Knospen der Bäume auf jener …
Почки деревьев на той стороне …
 
Inmitten der Dielen, der Tücher – im …
Среди половиц, полотенец …
 
Treue
Верность
 
Das dreißigste Jahr
Тридцатилетие
 
Mit dem unübersehbaren …
С неоспоримой разницей полов

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